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Theologische Bevormundung

Die US-amerikanischen Bischöfe blicken mit Skepsis nach Deutschland. Man erwartet ein Eingreifen aus Rom.
Beim Ad Limina Besuch der deutschen Bischöfe in Rom
Foto: Matthias Kopp (Deutsche Bischofskonferenz) | Beim Ad Limina Besuch der deutschen Bischöfe in Rom hagelte es deutliche Kritik zum Synodalen Weg.

Wie beurteilt die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten die Lage der Kirche in Deutschland? Die Antwort auf diese Frage hängt natürlich davon ab, wen man fragt. Insgesamt kann man wohl sagen, dass in den Vereinigten Staaten viele Bischöfe, Priester, Ordensleute und aufmerksame, engagierte Laienchristen mit tiefem Argwohn betrachten, was in der deutschen katholischen Kirche im Hinblick auf die Synodalität geschieht. Dieser Argwohn grenzt manchmal an Verzweiflung, da die deutschen Bischöfe eindeutig kein Interesse daran zeigen, auf die Weltkirche zu hören, und wenig Hoffnung bleibt, dass sich die Deutschen selbst wieder auf den richtigen Weg bringen. Man hat den Eindruck, dass sie die Absicht haben, die Kirche zu ändern und der Weltkirche ihre Meinung aufzuzwingen.

Es gab zahllose Aufforderungen zur Umkehr 

Die deutschen Bischöfe haben Ermahnungen von Kardinalpräfekten zentraler vatikanischer Dikasterien (den Kardinälen Ouellet und Ladaria) sowie einen Offenen Brief von 103 Kardinälen und Bischöfen aus der ganzen Welt erhalten. Es gab einen öffentlichen verbalen Austausch mit einem Erzbischof der Vereinigten Staaten und zahllose weitere Aufforderungen zur Umkehr – einschließlich von den polnischen und skandinavischen Bischöfen –, ganz zu schweigen von den tiefen Vorbehalten, die der Heilige Vater selbst zum Ausdruck gebracht hat.

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Und doch machen die Deutschen weiter, als sei nichts davon geschehen, und tun so, als seien sie mit einem Sonderauftrag betraut, die Kirche zu retten. Das lässt einen Grad an Arroganz erkennen, der auf eine Absage an den Geist der Synodalität hindeutet, wie ihn der Heilige Vater fördern will. Die Deutschen weisen so betrachtet die Vorstellung des Heiligen Vaters von einer demütigen, hörenden Kirche, die katholisch bleibt, geradezu zurück.

Deutsche Kirche hat sich weitgehend isoliert

Keiner der mehr als 270 Bischöfe aus den Vereinigten Staaten hat den deutschen Bischöfen seine Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Von einigen Ausnahmen in Westeuropa abgesehen hat die Gesamtheit der Bischöfe auf der ganzen Welt Deutschland nicht ermutigt. Dieses Schweigen ist laut. Die deutsche Kirche hat sich weitgehend isoliert. Doch das scheint sie nicht weiter zu kümmern. Eine der tiefsten Sorgen, die ich von entscheidenden Stimmen hier in den Vereinigten Staaten gehört habe, bezieht sich darauf, dass die Deutschen eine ansonsten äußerst wichtige Initiative des Heiligen Vaters unterwandern.

Die Entwicklung in Richtung einer synodaleren Kirche birgt ein großes Potenzial in sich, das eine ideologisch getriebene Schar von Bischöfen aus Deutschland unrechtmäßig an sich gerissen hat. Sollten sie das Gespräch weiterhin beherrschen, wird das Gute, das in greifbarer Nähe liegt, durch die egozentrischen Interessen der deutschen Kirche verloren gehen. Jedwede Chance für die Kirche, ihre Perspektive auf fruchtbare und wirklich katholische Weise zu erweitern, wird im Lärm um die Bemühungen der deutschen Bischöfe schwinden, zentrale kirchliche Lehren prinzipiell zu ändern.

Deutsche meinen, Verweltlichung sei der Weg zum Wachstum

Hier drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Kirche in Deutschland von dem Wunsch treiben lässt, durch eine Anpassung an den Zeitgeist wieder mehr Menschen in die Kirche zurückzubringen. Die Deutschen meinen, eine stärkere Verweltlichung sei der Weg zum Wachstum. Doch das ist das genaue Gegenteil der Erfahrung, die die Kirche in den Vereinigten Staaten gemacht hat. Diejenigen Ortskirchen und Gemeinden wachsen, die allen kirchlichen Lehren rückhaltlos treu sind. Das scheint auch in anderen Kontinenten – vor allem in Afrika – der Fall zu sein. Es ist schade, dass die deutschen Bischöfe von den Erfahrungen der anderen nichts lernen wollen.

Die Liberalisierung der Kirche in den Vereinigten Staaten während der siebziger und achtziger Jahre hatte einen Massenexodus aus den Kirchenbänken zur Folge. Doch dieser Trend wurde durch jene Widerstandsnester des Glaubens umgekehrt, in denen ein dem Evangelium gemäßer Geist gepflegt wird, der in einer persönlichen Beziehung zu Jesus und der Fülle der kirchlichen Lehre verwurzelt ist. Die Pfarrgemeinden, in denen der Glauben liebevoll und kompromisslos gelehrt wird, sind mit jungen Familien gefüllt – nicht die, die dem Geist und den Werten der Zeit nachgeben.

Liberalisierung des Glaubens füllt keine Kirchen

Das ist ein erster Grund für den Argwohn gegenüber der Richtung, die die Kirche in Deutschland einschlägt. Eben diese Bemühungen sind in den Vereinigten Staaten vor vierzig Jahren gescheitert und auch heute zum Scheitern verurteilt. Eine Liberalisierung des Glaubens bringt die Menschen nicht zurück in die Kirchenbänke. Ein Gegenzeugnis zum Zeitgeist kann hingegen etwas erreichen: Treue zum Glauben in all seiner Schönheit, der stets alt und stets neu ist. Es ist das Mysterium der Fülle des Glaubens, das Menschen anzieht. Andere in den Vereinigten Staaten stellen die finanziellen Beziehungen zwischen der deutschen katholischen Kirche und dem Staat in Frage.

Mit der Vereinbarung über eine Kirchensteuer sind die Amerikaner nicht vertraut. In den Vereinigten Staaten besteht grundsätzlich großes Misstrauen gegenüber einer Beteiligung des Staats an kirchlichen Angelegenheiten. Die deutsche Kirche steht zumindest leicht im Verdacht, einen praktischen Kompromiss zu verfolgen, um den beträchtlichen Fluss von Steuergeldern aufrechtzuerhalten. Ob das der Fall ist oder nicht – dieser Eindruck besteht und macht die Beweggründe der Deutschen von außen betrachtet suspekt.

US-Lösung: gewissenhafter an den Lehren der Kirche festhalten

Zudem verwenden die deutschen Bischöfe den Missbrauchsskandal häufig als Argument für ein Aggiornamento, das sich von zentralen Lehren der Kirche entfernt. Auch hier bestand die Antwort in den Vereinigten Staaten nicht darin, sich den Werten der sexuellen Liberalisierung anzupassen, sondern darin, gewissenhafter an den Lehren der Kirche festzuhalten.

Dass der Synodale Weg das Scheitern der deutschen bischöflichen Führung dazu benutzt, die Weltkirche aggressiv dazu zu drängen, ihrer Beurteilung im Hinblick auf das Sittengesetz zu folgen, ist, nun, sagen wir einmal, „sonderbar“. Dies bedarf schon eines gewissen Maßes an Arroganz, was sicherlich weitere Führungsfehler zur Folge haben wird.

Deutsche folgen hartnäckig einer Irrlehre 

Einige haben erklärt, die Kirche in Deutschland spiegele genauer wider, was der Heilige Vater über Synodalität denke. Auch das ist eine sonderbare, beinahe lachhafte Behauptung – denn gerade die deutschen Bischöfe sind es, die der Vatikan zurechtgewiesen hat. Die Deutschen sind es, die auf ihrem Synodalen Weg hartnäckig einer Irrlehre folgen. So hat eine von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebene Umfrage gezeigt, dass nicht einmal diejenigen in der Welt die Ziele der deutschen Kirche teilen, die ihr am nächsten stehen.

Hier kommt ein theologischer und ekklesiologischer Imperialismus aus Deutschland, der eine Bedrohung für die Weltkirche darstellt. Die Sorge über die deutschen Bestrebungen ist begründet. Aber es besteht die Hoffnung, dass der Heilige Stuhl eingreifen wird. Nur der Heilige Vater kann die von den Deutschen hervorgerufene Krise beenden, und hier, in den Vereinigten Staaten, erwartet man, dass er rechtzeitig entschlossen handeln und dem von den deutschen Bischöfen gestifteten Durcheinander ein Ende setzen wird. Auch wenn der Synodale Weg Verwirrung verursacht, ist zu erwarten, dass die Deutschen zurechtgewiesen werden. Wie sie dann damit umgehen, ist wieder eine vollkommen andere Frage.

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