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Julia Klöckner und der nächste Papst

Die Bundestagspräsidentin will eine unpolitischere Kirche. Recht so! Auch Franziskus sorgte sich um die Prioritätensetzung der Deutschen. Sein Nachfolger wird es kaum anders sehen.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner
Foto: IMAGO/Mike Schmidt (www.imago-images.de) | Politik lieber den Profis überlassen? Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sieht allzu diesseitiges Engagement der Kirchen kritisch.

Ist die Kirche bereits zu politisch – oder sollte sie sich sogar gerne noch mehr in den politischen Diskurs einmischen? Die Debatte, die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner kurz vor dem Tod des Papstes in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung angestoßen hat, fällt natürlich in diesen Tagen auf besonders fruchtbaren Boden, in denen die katholische Kirche gespannt die Wahl eines neuen Nachfolgers Petri erwartet, also ihr auch politisch exponiertestes Amt neu besetzt.

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Auf die Frage, warum immer mehr Menschen aus der Kirche austräten, antwortete Klöckner, es habe in der Corona-Pandemie an „Sinnstiftung und Seelenbegleitung“ gefehlt, dazu sei die Kirche „manchmal zu beliebig“, gebe zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen ab „wie eine NGO“ und habe nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick. „Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer“, befand die Katholikin. Mit anderen Worten: das Kerngeschäft der Kirche, die Seelsorge, sollte im Zentrum der Bemühungen stehen.

Franziskus war politisch, aber sein Auftrag an die Deutschen war ein anderer

Damit hat Klöckner natürlich recht, auch wenn Grünenpolitiker mit Sorge um ihre politischen Vorfeldorganisationen – und zu diesen gehören mittlerweile effektiv auch viele Organisationen mit kirchlichem Finanzierungshintergrund – dies möglicherweise nicht wahrhaben wollen. Ja, Jesus kam nicht für das Tempolimit auf die Welt, sondern um den sündigen Menschen durch das Kreuz mit Gott zu versöhnen. Das Ziel der Kirche muss die individuelle Umkehr sein, nicht primär die Verteidigung des Sozialstaats oder anderer politischer Errungenschaften der westlichen Moderne.

Wer jetzt auf den verstorbenen Papst und dessen politische Initiativen zu Frieden, Klimaschutz und Migration verweist, um die politische Aktivität der Kirchen in Deutschland zu rechtfertigen, übersieht zweierlei: Erstens hat Franziskus gerade seiner Kirche in Deutschland den Auftrag gegeben, sich vor allem anderen um Evangelisierung zu bemühen, denn diese bilde „die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche“. Sein Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, ein wirklich lesenswertes Vermächtnis, lässt daran keinen Zweifel.

Franziskus ernst nehmen

Und zweitens ist der Papst in einer gänzlich anderen Situation als die deutsche oder auch europäische Hierarchie. Als Machtzentrum einer wachsenden Weltkirche, als wahrnehmbarste religiöse Autorität überhaupt, verfügt der Papst weiterhin über beträchtliche „soft power“ – während der Einfluss der kirchlichen „Divisionen“ (Josef Stalin) in Deutschland rapide schwindet. Im Grunde hat die Kirche in Deutschland als kirchensteuerfinanzierter größter Arbeitgeber und auch als politischer Player mit Einfluss im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Zugriff auf beträchtliche finanzielle Ressourcen zur „politischen Bildung“ eine im Vergleich zu ihrem Wirken in den Herzen der Menschen sogar noch völlig überproportionale politische Macht, die im Übrigen ganz offensichtlich keineswegs einladend oder vertrauensbildend wirkt.

Insofern wäre es dringend geboten, sowohl Franziskus als auch Julia Klöckner ernst zu nehmen: Die Kirche muss die Sorge um die Seelen wieder wahrnehmbar als oberste Priorität etablieren. Das ist die zentrale Botschaft des verstorbenen Papstes an die Deutschen. Und egal, ob er dann politischer oder unpolitischer, „progressiver“ oder „konservativer“ (wenn diese Attribute nicht sowieso schon gestrige Auseinandersetzungen spiegeln) auftritt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der nächste Papst es genauso sehen wird.

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