Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Fünfte Synodalversammlung

Kann man über Wahrheit abstimmen?

Die abschließende Synodalversammlung hinterließ einen schalen Nachgeschmack: Auch lehramtstreue Bischöfe haben gegen ihre Überzeugung votiert.
Bischof Georg Bätzing auf der fünften Synodalversammlung
Foto: Maximilian von Lachner (Synodaler Weg / Maximilian von L) | Eklatant stach Bischof Bätzings Intervention hervor, der seine Mitbrüder nach einer Standpauke über angeblich unzureichende Mitarbeit aufforderte, sich bei Gewissensnöten zu enthalten, statt mit „Nein“ zu stimmen.

Vor der Kongresshalle „Kap Europa“ in Frankfurt am Main geht es für kirchliche Verhältnisse hoch her. Zwei Gruppen von Demonstranten stehen einander gegenüber: Die einen skandieren „Gleich und berechtigt!“, fordern die Weihe für Frauen und Mitentscheidungsrecht für Laien ein; die anderen tragen Transparente: „Macht nicht den Luther!“ oder „Ja zur Weltkirche, nein zur deutschen Extrawurst.“, steht da, vor allem aber sind es aus der Bibel abgeleitete Aussagen: „Ist denn Christus geteilt?“. Die Delegierte Svenja Stumpf wird später erzählen, wie ein vorbeigehender Schüler einem andern erklärte: „Ich glaube, das ist Kirche gegen Kirche.“ Knapper kann man das Geschehen nicht zusammenfassen. Jedoch: „Wir sind Kirche“ und andere anwesende „Reform“-Aktivisten formulierten fast ausschließlich politische Forderungen. Die Sorge um Einheit aber, eines der wichtigsten Kriterien für ein im eigentlichen Sinne „kirchliches“ Denken, für Identifikation mit dem Leib Christi, fand sich ausschließlich unter den „Gegendemonstranten“.

Solange die Minderheit still bleibt

Im Kongresszentrum war von Aktivismus nichts zu spüren. Stattdessen schien Einigkeit darüber zu bestehen, dass man im Rückblick auf die vierte Vollversammlung einen kräfteschonenderen Verlauf anstrebte. Damals hatte die Ablehnung eines Grundtextes durch die Sperrminorität der Bischöfe zu hysterischen Szenen und zu einer „Aussprache“ voller Niederträchtigkeiten gegenüber den Bischöfe geführt. Dies sollte sich nicht wiederholen: Auf ihrer Frühjahrsvollversammlung hatten die Bischöfe Änderungsanträge erarbeitet, um die Texte „zustimmungsfähig“ zu machen.

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Obwohl die Frist für derartige Anträge zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, wurden sie zur Beratung zugelassen. Statt guten Willen zu diagnostizieren, nahmen Irme Stetter-Karp und andere dies zum Anlass, den Bischöfe erpresserische Methoden vorzuwerfen.
Diese hatten sich mit dem Manöver also nicht nur der Großzügigkeit der Synodalen unterworfen, sondern sich indirekt zur Zustimmung verpflichtet, wollten sie nicht als perfide Machtmenschen dastehen.

Dementsprechend glatt verliefen die Abstimmungen. Insgesamt zehn Texte wurden durchgewunken, leidenschaftslos, solange sich die Minorität still verhielt. Wurden stärkere Vorbehalte geäußert, wurden die Angriffe schärfer – das „Trauma“ des abgelehnten Grundtextes IV wirkte nach. Sehr zum Missfallen der „Hardliner“ unter den Delegierten waren viele Texte empfindlich entschärft. Die Synodalen beklagten „weichgespülte“ Papiere, verliehen ihrem Frust Ausdruck und stimmten mitunter gegen die Kompromisstexte.

Mangel an Selbstreflexion als roter Faden

Gegen den unausgesprochenen Konsens, möglichst reibungsarm vorzeigbare Ergebnisse zu produzieren, kamen sie jedoch nicht an.
Ganz ohne Demütigungen sollte es dennoch nicht vonstatten gehen. Trotz der nur verhaltenen Einsprüche der „Minderheitenbischöfe“ traute man den eigenen Maßnahmen zur Einhegung der Opposition nicht: Eklatant stach Bischöfe Bätzings Intervention hervor, der seine Mitbrüder nach einer Standpauke über angeblich unzureichende Mitarbeit aufforderte, sich bei Gewissensnöten zu enthalten, statt mit „Nein“ zu stimmen: „Einige Bischöfe werden das jetzt vielleicht als Druck von oben empfinden“, dies sei aber nicht so gemeint, so Bätzing. Die Entschuldigung, die Bätzing diesbezüglich am nächsten Tag vorbrachte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Vorsitzende der DBK in seiner Eigenschaft als Präsident des Synodalen Wegs als den anderen Bischöfe übergeordnet empfindet: Eine offensichtlich problematische Vermischung von Zuständigkeiten und Macht, die ignoriert wird, während man zugleich vollmundig anderen Machtmissbrauch unterstellt.

Nach über drei Jahren auf dem Synodalen Weg zeigte sich, dass man sich an derlei Manipulation und Machtmissbrauch durch die Mehrheit gewöhnt hat.

Dieser Mangel an Selbstreflexion zog sich wie ein roter Faden durch die fünfte Synodalversammlung. Es gab Applaus für über neunzigprozentige Zustimmungsraten, obwohl diese nur dadurch zustande kamen, dass Enthaltungen nicht ins Gesamtergebnis eingerechnet wurden. Niemand stutzte, als just vor der Abstimmung über den Handlungstext zu Segnungen für homosexuelle Paare der flämische Bischöfe Bonny außerplanmäßig das Wort erhielt: Er berichtete, der Papst habe die flämischen Bischöfe in dieser Angelegenheit bestärkt und seine Zustimmung von der Einmütigkeit des Bischofskollegiums abhängig gemacht. Dass deren Pläne allerdings keine „liturgischen Feiern“ beinhalten, wie die deutschen Texte fordern, wurde nicht deutlich.

So musste der Eindruck entstehen, dass einzig die trotzige Minderheit unter den deutschen Bischöfe der Hemmschuh sei. Nach über drei Jahren auf dem Synodalen Weg zeigte sich, dass man sich an derlei Manipulation und Machtmissbrauch durch die Mehrheit gewöhnt hat, dass Emotionalisierung routiniert als Mittel zur Delegitimierung anderslautender Meinungen eingesetzt wird.
Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrhaftigkeit hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Kirchlichem Denken gelang lediglich ein – wenn auch entscheidender – Achtungserfolg. Ein Kernstück des synodalen Programms wurde in den Synodalen Ausschuss vertagt: Die Forderung nach der Einrichtung von Synodalen Räten auf Pfarr- und Diözesanebene, vom Papst eindeutig verboten, war dann doch zu viel des Ungehorsams. Die Gefahr eines Scheiterns am Veto der Bischöfe schien zu hoch.

Kirche gegen Kirche

Dieser Ausschuss, der bis 2026 einen Synodalen Rat auf der Ebene von DBK und ZdK vorbereiten und bisher nicht beschlossene Texte beraten soll, muss sich nun erst einmal konstituieren. Zugleich entfalten die „beschlossenen“ Texte keine Wirkung, solange sie nicht umgesetzt werden. Damit ist die Angleichung der Kirche in Deutschland an die säkulare und politisierte Lebensrealität der Kirchenfunktionäre und weiter Teile des Glaubensvolkes weder geglückt noch gescheitert.

Die Lehramtstreuen mussten nicht befürchten, unmittelbar in vollendeten Ungehorsam gegen Rom einzutreten; die Gegenseite konnte darauf hoffen, dass die Pläne zur umfassenden Selbstsäkularisierung der Kirche durchaus gelingen können, wenn man einen langen Atem hat und sich auf weltkirchlicher Ebene als harmlos zu inszenieren vermag. Dennoch war die Ernüchterung spürbar. Man hatte die Lehre nicht im Handstreich ändern können. Die erste katholische Priesterin muss weiterhin auf sich warten lassen, Kirchenparlamente bleiben vorerst illusorisch.

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Irme Stetter-Karp hatte im Auftaktstatement erläutert, der Synodale Weg sei nicht zu Ende, sondern ginge gerade erst los. Die Fünfte Synodalversammlung wirkte jedoch keineswegs wie ein Aufbruch. Vielmehr wurde das Projekt des Umbaus der Kirche final in die Bahnen typisch deutsch anmutender Bürokratie überführt: Mechanisch, kalt, effektiv. Undmehr noch: Es wurde deutlich, dass sich hier Menschen mit aller Kraft gegen die Realität der Kirche, gegen ihre Erkenntnis und ihre Wahrheit wehren. Ein zermürbender, fried- und sinnloser Prozess, dessen zerstörerisches Potenzial allerdings enorm ist.

„Kirche gegen Kirche“: Es wird sich zeigen, ob die Weltsynode diese Selbstzerfleischung stoppen kann, oder ob sie durch schwammige Formeln Räume eröffnen wird, in denen die deutschen Katholiken weiterhin gegen sich selbst wüten können. Dass sich die Weltkirche der leeren Reform-Maschinerie des deutschen Synodalen Wegs unterwirft, ist dagegen zumindest unwahrscheinlich.

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