Die Kirche im Gespräch: Es ist die Zeit der Worte, nicht der großen Taten. Synodaler Weg in Deutschland. Und eine nicht enden wollende römische Bischofsynode, die sich ebenfalls als synodaler Prozess versteht. Die klare Ansage im Brief mit dem Datum vom 16. Januar aus dem vatikanischen Staatssekretariat, die immerhin die Unterschrift der drei Kurienkardinäle Pietro Parolin, Luis Ladaria und Marc Ouellet trug und von Papst Franziskus ausdrücklich "in forma specifica" approbiert worden ist, ist schon längst synodal zerredet worden. Darin hieß es klar: Kein Synodaler Rat als "Beratungs- und Beschlussorgan", der den Synodalen Weg mit derselben Zusammensetzung wie bei den Synodalversammlungen verstetigen und eine neue Leitungsstruktur in der Kirche in Deutschland darstellen würde. Damit wäre es hinfällig, auf der letzten Synodalversammlung in Frankfurt Anfang März einen Synodalen Ausschuss zu beschließen, der den Synodalen Rat vorbereiten soll.
Papst: Ideologie vertreibt den Geist Gottes
Doch dann kamen die Relativierungen. Zunächst von Franziskus selbst: Im Interview mit der US-amerikanischen Nachrichtenagentur "Associated Press", das am Mittwoch vergangener Woche veröffentlicht wurde, gab der Papst der Journalistin Nicole Winfield zunächst eine deutliche Einschätzung des synodalen Geschehens zwischen Rhein und Oder: "Die deutsche Erfahrung hilft nicht, denn das ist keine Synode, kein echter synodaler Weg, es ist ein sogenannter synodaler Weg, aber keiner des Volkes Gottes in seiner Gesamtheit, sondern er wird von Eliten durchgeführt."
Doch anstatt auf das klare Schreiben der drei Kardinäle vom 16. Januar zu verweisen, öffnete Franziskus wieder ein Türchen: "Wenn die Ideologie sich in kirchliche Prozesse einmischt, dann geht der Heilige Geist nach Hause, weil die Ideologie den Heiligen Geist besiegt", meinte der Papst, um aber doch einer vagen Hoffnung Ausdruck zu geben: "Aber man muss Geduld haben, im Gespräch bleiben und dieses Volk auf seinem wirklichen synodalen Weg begleiten und diesem eher elitengesteuerten Weg helfen, damit er nicht irgendwie böse endet, sondern damit auch er sich in die Kirche eingliedert. Man muss immer versuchen, zu vereinen."
Bätzings Zorn auf den Papst
Auch Georg Bätzing, neben den Damen und Herren vom katholische Zentralkomitee der bischöfliche Bauherr auf der synodalen Baustelle, will den Brief aus Rom nicht gelten lassen. "Warum hat der Papst nicht mit uns darüber gesprochen, als wir im November bei ihm waren? Da wäre die Gelegenheit gewesen, aber da hat er die Gelegenheit zum Austausch nicht genutzt. Diese Art, Kirchenführung durch Interviews wahrzunehmen, halte ich für äußerst fragwürdig", erzürnte sich der Konferenzvorsitzender im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt" und gab auch zu verstehen, wie man auf dem eingeschlagenen Weg doch irgendwie weitermachen kann: "Wir haben in Deutschland schon seit den 70er-Jahren die sogenannte Gemeinsame Konferenz, in der die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken miteinander beraten, also Laien und Bischöfe." Die "Rückfalloption" sei also: "Wir bleiben bei diesem Modell und geben einfach noch wichtige Aufgaben dazu, die kirchenrechtlich machbar sind."
Der Papst will im Gespräch bleiben und begleiten, Bätzing aber kündet weitere Schritte an. So als hätte es das interdikasterielle Gespräch im Vatikan am 18. November nicht gegeben, bei dem ebenfalls die drei Kardinäle Parolin, Ladaria und Ouellet die roten Linien markiert hatten, die der Synodale Weg nicht überschreiten darf. Doch haben die drei Purpurträger - von denen immerhin die beiden letzteren auf ihre altersbedingte Ablösung warten - wirklich Gewicht?
Es ist nicht der Heilige Geist, der die Richtung weist
Jene römische Weltsynode, die im Oktober 2021 begann und 2024 enden soll, könne, so hieß es einmal, das geeignete Instrument sein, um den Synodalen Weg der Deutschen einzuhegen und in den Debattenstrom der Weltkirche einmünden lassen. Nur ist es auch beim synodalen Weltprozess nicht der Heilige Geist, der die Richtung weist. Sondern es gibt Protagonisten, die ihre Agenda durchsetzen wollen. Darin unterscheidet sich die Weltsynode in Nichts vom Synodalen Weg in Deutschland.
Zwei Gestalten sind entscheidend: Kardinal Mario Grech, einst Erzbischof von Gozo, wo er mit Maltas Erzbischof Charles Scicluna das päpstliche Ehe- und Familien-Schreiben "Amoris laetitia" in der denkbar liberalsten Weise umsetzen ließ. Seit September 2020 ist Grech Generalsekretär der römischen Bischofssynode. Kurz darauf erhob ihn Franziskus zum Kardinal. Der Synodale Weg der Deutschen ist ihm kein Dorn im Auge. In einer synodalen Kirche müssten auch die strittigen Themen Macht und Verantwortung, Rolle von Frauen oder Sexuallehre behandelt werden, meinte er im Mai letzten Jahres im englischen Podcast "The Church s Radical Reform".
Kardinal Hollerich, hochintelligent und gelehrt
Doch Grech ist nur der Organisator der Weltsynode, die gerade in ihre kontinentale Phase einbiegt. Der eigentliche Kopf ist Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ. Im Juli 2021 hat Franziskus den Erzbischof von Luxemburg zum Generalrelator der Weltsynode ernannt. Eine Schlüsselposition, die es ihm ermöglicht, das synodale Weltgeschehen inhaltlich wie formal in die gewünschte Richtung zu lenken.
Hollerich, der fließend sechs Sprachen beherrscht, darunter Japanisch, war das, wovon Jorge Mario Bergoglio als junger Mann träumte: Er wandelte auf den Spuren des heiligen Franz Xaver in Japan, wo er sich von 1985 bis 1989 Sprache und Kultur des Landes zu eigen machte und dann zwischen 2008 und 2011 in der Leitung der Sophia-Universität in Tokio und als Rektor der dortigen Jesuitengemeinschaft wirkte. Benedikt XVI. machte den hochintelligenten und gelehrten Jesuiten 2011 zum Erzbischof im kleinen Luxemburg, wo er aber europäisches Format gewann: 2018 wurde er Chef der Comece, der Lobby der europäischen Bischöfe bei der Europäischen Union, und 2021 Vize-Präsident des Rats der europäischen Bischofskonferenzen.
In welche Richtung Hollerich das Kirchenschiff lenkt
Auch beim synodalen Weltprozess ist es mangels einer starken Beteiligung der Basis nicht das "Volk", das dem Heiligen Geist Tür und Tor öffnen könnte, sondern es sind Leute wie Hollerich, die über die Medien streuen, wohin das Schifflein Kirche segeln soll. Vor der Amazonas-Synode 2019 sagte er den Journalisten im Vatikan, dass er sich verheiratete Priester durchaus vorstellen könne. Und im vergangenen Oktober gab ihm der italienische "Osservatore Romano" ganze zwei Seiten, um im Interview sein Programm für die Weltsynode vorstellen zu können.
Stoßrichtung - und das verbindet ihn mit dem Synodalen Weg in Deutschland: eine Neubewertung der Homosexualität. Wie Papst Franziskus, den er nicht für "liberal", sondern für einen "radikalen" Evangelisierer hält, setzt Hollerich auf Mission, statt - das wiederum unterscheidet ihn von den Betreibern des Synodalen Wegs - auf die Änderung der Strukturen und die Neuverteilung von "Macht".
Hollerichs Vorstellung vom Reich Gottes
Bei der "deutschen Synode", so meinte der Jesuit gegenüber der Vatikanzeitung, drehe sich alles um "Macht". Doch "die innerkirchliche Debatte auf die Frage der Macht zu beschränken, ist zutiefst verfehlt. Sei es von Seiten derer, die die ,Macht angreifen, sei es von denen, die sie ,verteidigen wollen. Synodalität geht weit darüber hinaus. Wenn die Leute die Autorität des Bischofs oder Pfarrers als ,Macht verstehen, bäh, dann haben wir ein Problem."
Stattdessen sieht Hollerich die Schwierigkeit der gegenwärtigen Pastoral darin, "dass sie zu einem Menschen spricht, den es nicht mehr gibt". Das Evangelium den Menschen von heute zu verkünden, "verlangt eine große Öffnung von uns und auch die Bereitschaft, uns bei aller Treue zum Evangelium zu wandeln". Niemand von den jungen Leute wolle sich mehr diskriminieren lassen. Selbst solche, die nicht homosexuell seien, verließen die Kirche, wenn sie sähen, dass man dort Homosexuelle diskriminiere. Alle seien von Christus gerufen, "niemand ist ausgeschlossen: weder die wiederverheirateten Geschiedenen, noch die Homosexuellen. Das Reich Gottes ist kein exklusiver Club".
Neuausrichtung der Pastoral bei Homosexualität
Das sei keine Frage von theologischen Feinheiten oder ethischen Dissertationen, meint der Kardinal. Homosexuelle seien keine "faulen Äpfel". "Auch sie sind eine Frucht der Schöpfung". Und die Frage der Segnung von Homosexuellen sei zweitrangig. Segnung bedeute "gut-heißen". Und wer möchte glauben, "Gott würde jemals zwei Personen ,schlecht-heißen , die sich mögen?" Ihn interessiere es mehr, "andere Aspekte der Frage zu diskutieren.
Zum Beispiel: Was verursacht die auffallende Zunahme der homosexuellen Orientierung in der Gesellschaft? Oder warum ist der Anteil von Homosexuellen in kirchlichen Einrichtungen höher als in der Zivilgesellschaft?" Für Hollerich sind das die Fragen, die eine Neuausrichtung der Pastoral verlangen, um das Evangelium auch zu den Menschen von heute zu bringen. Womit schon aufscheint, was zentrales Thema der nun folgenden Phasen der Weltsynode sein wird.
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