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Der Mensch kann kein  Neutrum sein 

Über die spezifisch geschlechtliche Prägung des Gemeinsamen Priestertums  aller Gläubigen.
Wallfahrt Paris nach Chartres.
Foto: Loïc Mazalrey via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Eine Ordensfrau auf der Wallfahrt von Paris nach Chartres.

Einer euphorischen Verfechterin der Frauenordination – sie dachte wohl auch an sich – habe ich einmal entgegengehalten: „Warum wollen Sie denn unbedingt werden, was Sie schon sind?“ – Große Augen. „Wie ...?“ – „Nun jeder getaufte und gefirmte Christ ist Priester oder Priesterin ...“ 

Meine sachdienlichen Hinweise zum Gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen (ich kürze in der Folge mal auf GPaG) quittierte die junge Frau mit dem Verdrehen ihrer Augen und einem hörbaren Pffft ... Wahrscheinlich wollte sie mir sagen, dass ich sie doch bitte nicht mit einem B-Klasse-Priestertum abspeisen solle. 

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Das Kernproblem

Und darin liegt schon ein Kernproblem der derzeitigen Debatte: Wenn es denn ein nachgeordnetes Priestertum gibt, dann ist es das Weihepriestertum, das dem „Wesen und nicht dem Grad nach“ (LG 10) verschieden vom GPaG ist. Wobei „nachgeordnet“ ganz das falsche Wort für die spezifische Berufung ist, Christus als das Haupt des Leibes (Eph 4,15) und als den Bräutigam (Mk 2,19) zu repräsentieren. Nur aus dieser Perspektive heraus ist auch verständlich, warum es die theologische Zuweisung dieses Dienstes an Männer gibt. Allenfalls im Horizont von Gender ist eine Frau ein denkbarer Bräutigam für die Braut Kirche. Und da betreten wir schon den zweiten Problemkreis: die Depotenzierung der Geschlechterdifferenz. „Kann man“, fragte jüngst der Essener Oberhirte, „an einem Y-Chromosom den Zugang zum Priesteramt festmachen?“ Neohumanistisches Pathos macht sich breit. Hallo – wir sind Menschen! Nicht Männer oder Frauen oder sonst was! 

Nicht angekommen

Nun sollten wir erst einmal fragen, was es mit dem GPaG auf sich hat, das vom Zweiten Vatikanischen Konzil so nachdrücklich herausgestellt wurde, aber in der Breite des Gottesvolkes praktisch nicht angekommen ist. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Theologie hier ihrer Plausibilitätspflicht noch lange nicht nachgekommen ist. Dann erst ist die zweite Frage sinnvoll: Wenn die Kirche im Weihepriestertum den Menschen bis in seine Geschlechtlichkeit hinein in Dienst nimmt, – was ist dann mit dem GPaG? 

Bin ich da nur als Mensch gefordert, oder vielleicht auch als „Mann“/“Frau“? 

  

Das Gemeinsame  Priestertum aller Getauften 
beginnt vor der Kirchentür und ist dann unbegrenzt. 

  

Der kollektive Fehlschluss nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bestand in der betriebsblinden Annahme, es handle sich beim GPaG a) um eine innerkirchliche Aufwertung des Laien – „Endlich sind wir nicht mehr Christen zweiter Klasse!“ – und b) um einen Schlüssel zu innerkirchlicher Macht. In der Folge entbrannte ein heftiger Kampf um die 10 qm zwischen Sakristeitür und Ambo, bzw. um das Sagen im Pfarrgemeinderat. Das war im Ganzen ein Missverständnis und eine Sackgasse; es hat zur Klerikalisierung von Laien und zur Laikalisierung von Priestern geführt. In Wahrheit ist mit dem GPaG ein gewaltiger Sprung gegeben – von der Auseinandersetzung um 10 qm2 hinaus auf 510 Millionen qkm – so groß ist nämlich die Erdoberfläche.

Das GPaG transzendiert die binnenkirchliche Selbstbeschäftigung; es beginnt vor der Kirchentür und ist dann unbegrenzt. Das GPaG ist das entscheidende Tool, um an tausend Ecken in der Welt Reich Gottes anzuzünden – in Politik, Wirtschaft, Recht, Kultur ... . Und auch in der Machtfrage geht es um ein größeres Plus an Machtausübung, als es sich innerkirchlich je ergeben könnte: Gedacht ist an die priesterliche Gesamtverantwortung für die Schöpfung, in der zu „walten“ ist „über die Fische, ... Vögel, ... das Vieh“ (Gen 1,27), die zu „bebauen und bewahren“ (Gen 2,15) der Auftrag ist. Was hat das aber mit „Priestertum“ zu tun? Wozu braucht man, damit die irdischen Dinge in Ordnung kommen, Leute, die „Priester“ sind? 

Das große Drama

Bernhard Meuser ist Theologe und Publizist.
Foto: IN  | Bernhard Meuser ist Theologe und Publizist.

 

Dazu müssen wir einen Ausflug in die archaische Welt des Alten Testamentes unternehmen, eine Welt, in der Menschen noch der Auffassung waren, das große menschliche Drama – gewebt aus gewaltigen Anstrengungen, genialen Erfindungen, aber auch aus Mord, Lüge und Hurerei – sei nicht neu zu justieren oder sogar fundamental zu heilen, ohne die Dinge auf den Himmel auszurichten und damit auf der Erde in Ordnung zu bringen. Deshalb gab es Opfer – und deshalb gab es „Priester“ – Stellvertreter des Volkes. Christus hat das Priestertum dieser Art, das in seinen Opfern und Opfermeistern fragwürdig war, abgeschafft, um selber der große Stellvertreter, „Hohepriester“ und Erzreparateur zu werden, „einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für allemal getan, als er sich selbst dargebracht hat“ (Hebr 7,26–7). Christus, der Opfernder und Opfer in einem ist, hat „mit seinem  Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ und er hat sie „für unsern Gott zu einem Königreich und zu Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen“ (Offb 5,9–10). 

In Christus

Das Allgemeine Priestertum aller Gläubigen ist also ein Priestertum in Christus und keines neben Christus. Und man braucht diese Leute überall dort, wo es Stellvertreter braucht, weil es um etwas geht, das Andere aus sich heraus nicht tun/ tun können – und Christen nur in Verbindung mit Christus. Die Frage an Christen lautet: Willst du „Priester“ sein? Willst du der Stellvertreter Christi sein an Orten, aus denen ER scheinbar verbannt ist? Willst du ein exakter Punkt der Transformation sein, dort wo du stehst? Willst du die Umgestaltung der Schöpfung prophetisch ankündigen, darstellen und durch Gnade bewirken – ihre Transformation in das, was jenseits des Sündenfalles von dir und mit dir gewollt ist? Willst du der Punkt sein, an dem Himmel auf die Erde kommt und Erde wieder anschlussfähig an den Himmel wird? 

Wo beginnt die Transformation der Welt – ihre „Umgestaltung in Christus“ (Dietrich von Hildebrand)? Leicht sind wir zu sagen versucht: bei den Verhältnissen, die der „arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch“ (Ernst Bloch) ins Menschengerechte, Gute überführt. Den Ausweg in die Utopie hat sich das Christentum stets verboten. Metanoia beginnt nicht jenseits meiner selbst, sie beginnt bei mir – in der göttlichen „Challenge“, ein Anfang jener neuen Schöpfung zu sein, die Frieden bringt, weil sie zugleich die Einlösung des Uralten und aller Sehnsüchte nach Vollendung ist. Umkehr ist Heimkehr in das mir ursprünglich von meinem Schöpfer Zugedachte, in meine Natur, die freilich keine Natur im Sinne Rousseaus ist, sondern stets als gebrochene Natur erfahren wird. Metanoia setzt an bei meiner grundsätzlichen Nichtidentität mit mir selbst, meiner Entfremdung vom mir Eigensten, dieser in Unruhe und Dysbalance befindlichen, konkreten Einheit aus Leib und Seele – bei mir als Mann, bei meiner Frau als Frau. 

  

„Umkehr ist Heimkehr in das mir ursprünglich
von meinem Schöpfer Zugedachte, in meine Natur.“ 

  

 Der Gattungsbegriff „Mensch“ existiert nur im Lexikon. Es ist anthropologischer Nonsens, ein Abstractum, ein begrifflich von der Realität Abgezogenes, für die Sache selber zu halten. Menschen gibt es nur als Frauen oder Männer, denen gemeinsam das Menschsein eignet. 

Mensch werden 

Als Mann muss ich Mensch werden, wie meine Frau als Frau Mensch werden muss, um das zu erreichen, was wir von Gott her schon sind: „Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27) – und darin „... als sein Abbild.“ So kann Guardini sagen: „Jede Auffassung vom Menschen, die ihn in irgendeinem Sinne dualistisch sieht, also die Geschlechtlichkeit ... auch nur für unwesentlich ansieht, entstellt den Sinn der Offenbarung“, was bedeutet, dass „der geschlechtliche Unterschied sich nicht nur auf den körperlichen Bereich, sondern auf den ganzen Menschen bezieht. In ihr geht es um männliche und weibliche Menschlichkeit.“ Der Gedanke, im Geschlechtsleib des Menschen gäbe es keine Intentionalität und keine natürlichen Ziele, der Mensch sei, was er aus sich mache, endet in einem platten Konstruktivismus, im Durchgriff der technischen Intelligenz auf das Fleisch und im Löschen der Spuren Gottes, letztlich der Absage an Schöpfung. 

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Deine Sexualität bist Du

Die Annahme, der Mensch existiere zunächst einmal als neutrale materiale Vorlage eines noch ungeschriebenen sexuellen Programms, ist eine Erfindung von Gender, die leider auch die seltsamsten Blüten auf dem Synodalen Weg treibt – etwa wenn der Aachener Oberhirte in einer Debatte meint, die Kirche müsse sich in Sachen Sexualmoral endlich von der Ausrichtung an der menschlichen Natur verabschieden, und er sich gar zur kryptischen Formel versteigt: „Deine Sexualität, das bist du.“ 

Eine Häresie

Leider wächst sich mittlerweile der an sich wichtige Versuch, Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung (und solchen, die sich im vielfältigen Orbit von Gender wiederfinden) eine Heimat in Lehre und Leben der Kirche zu geben, zu einer veritablen anthropologischen Häresie aus. Sie besteht in der Ignoranz nahezu aller Konstanten aus den Schöpfungsberichten in Genesis 1 und 2 und in der Erfindung von soviel „Naturen“ wie es Menschen gibt; – „Naturen“, von keinem Sündenfall gebrochen, – „Naturen“, die sagen: Du darfst. Es gibt aber keine schöpfungstheologische Ermächtigung zur Schaffung von schwulen, lesbischen oder diversen Paralleluniversen. 

Es gibt nur Männer und Frauen in einer verwirrten Welt, die nach Gottes Willen in einem Fleisch (Gen 2,24) zueinander finden sollen, um stellvertretend für die vielen sexuell Unbehausten, ein Anfang jener Schöpfung zu sein, der Abbild göttlicher Liebe ist.

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