Als Wladimir Putin am Freitag in Moskau den sowjetischen Sieg im Zweiten Weltkrieg mit einer großen Militärparade feierte, umgaben ihn die Diktatoren von China, Venezuela, Belarus, Kuba, der separatistischen „Republika Srpska“ und der von Russland okkupierten georgischen Regionen Abchasien und Südossetien, ebenso die Präsidenten von Serbien, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan, Vertreter von Nordkorea und der kommunistischen Partei Vietnams.
Die Ukraine setzt auf das demokratische, rechtsstaatliche, freie Europa
Nach Kiew eilten dagegen der französische Präsident, der britische Premierminister, der polnische Ministerpräsident und der deutsche Bundeskanzler. Der Unterschied ist offensichtlich: Die Ukraine setzt auf das demokratische, rechtsstaatliche, freie Europa. Und genau deshalb führt Wladimir Putin seit Jahren einen blutigen Vernichtungskrieg gegen das verwandte Nachbarvolk: weil es sich gegen die postsowjetische Tyrannei und für die europäische Rechtsstaatlichkeit entschieden hat.
Umso wichtiger war die große Geste der Solidarität, die Macron, Starmer, Tusk und Merz am Samstag in Kiew setzten: Nicht nur die Ukraine hat sich für Europa entschieden, sondern auch umgekehrt. Die europäische Unterstützung der Rechte des ukrainischen Volkes ist nicht saisonal und wetterabhängig, sondern grundsätzlich und dauerhaft. Das haben die Spitzen der Europäischen Union immer wieder demonstriert, und dazu bekennen sich auch die Regierungschefs der wichtigsten Staaten Europas: Großbritannien und Frankreich sind die einzigen Atommächte Europas, die zugleich einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat haben, Deutschland ist (trotz allem) das wirtschaftliche Schwergewicht der EU, Polen der wichtigste unmittelbare Nachbar der Ukraine. Gemeinsam bringen Macron, Starmer, Merz und Tusk durchaus so viel weltpolitisches Gewicht auf die Waage, dass Putin es nicht ignorieren kann. Wobei Putins chinesischer Alliierter Xi Jinping noch stärker auf das weltwirtschaftliche Gewicht der Europäer achten wird.
Putin verweigert die Waffenruhe
Doch Selenskyjs vier Gäste demonstrierten nicht nur Solidarität mit der leidgeprüften Ukraine, sondern forderten gemeinsam und mit Nachdruck eine 30-tägige, vollständige und bedingungslose Waffenruhe, um der Diplomatie Raum zu geben. Schlauerweise griffen sie damit einen Vorschlag von US-Präsident Donald Trump auf, den dieser bereits mit Putin telefonisch besprochen hatte – und sie stimmten ihre Initiative auch vorab mit Trump ab. Wenn Putin nun weder durch den amerikanischen Präsidenten noch durch die wichtigsten Staaten Europas zu einer solchen befristeten Waffenruhe zu bewegen ist, dann sollte damit aller Welt klar sein, wer hier der Kriegstreiber und Friedensverweigerer ist: Wladimir Putin, der diesen Krieg unprovoziert begann und sich von diesem Krieg noch immer mehr verspricht als von irgendeinem Frieden.
Tatsächlich reagierte der Kreml noch am Sonntag mit einem Gegenvorschlag: Moskau sei zu einer Wiederaufnahme direkter Gespräche mit Kiew – wie bereits 2022 in der Türkei – bereit, sagte Putin. Von einer Waffenruhe sagte er jedoch nichts. Wieder weicht der Kremlchef einem westlichen Angebot aus, denn wozu sollten direkte russisch-ukrainische Gespräche in der Türkei dienen, wenn zugleich das Sterben in der Ukraine weitergeht und die russischen Eroberer an der ukrainischen Front weiter vorrücken? Kein Zweifel: Putin will keinen Frieden. Er muss dazu gezwungen werden.
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