Wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte, dass Frauke Brosius-Gersdorf für das höchste Richteramt im Staate tatsächlich ungeeignet ist, dann hat sie ihn spätestens in dieser Woche höchstpersönlich im ZDF-Studio beim Jahresrückblick von Markus Lanz erbracht. Dort sagte die Potsdamer Staatsrechtlerin nämlich allen Ernstes: „Und in so einer Situation, bei der Richterwahl, da muss man einfach Fraktionsdisziplin ausüben. Da geht’s nicht um Gewissensentscheidungen.“
Hallo! Natürlich klingt das nach Durchregieren. Und damit nach etwas, das angesichts der bisherigen Performance der Bundesregierung vielen sympathisch erscheinen dürfte. So weit, so verständlich. Das Problem ist nur, die Mütter und Väter des Grundgesetzes sahen das ganz anders und schrieben deshalb in Artikel 38 des Grundgesetzes fest: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
„Freies“ versus „imperatives“ Mandat
Eine knappere Formulierung für „nur ihrem Gewissen unterworfen“ firmiert als „freies Mandat“. Sein Gegenteil wäre das „imperative Mandat“, bei dem die vom Volk gewählten Vertreter an Weisungen der Parteien oder Fraktionen gebunden wären. Das imperative Mandat würde aus der Bundesrepublik Deutschland einen anderen Staat machen. Eine Staatsrechtlerin müsste das wissen.
Mit anderen Worten: Die von der SPD als Kandidatin für das höchste Richteramt in der Bundesrepublik Deutschland ausersehene Brosius-Gersdorf erklärt mal eben vor laufender Kamera einem Millionenpublikum, dass man das Grundgesetz gar nicht ernst nehmen muss und ruhig auch beiseitelegen kann. Ja, mehr noch, dass – jedenfalls, wenn sie zur Wahl steht – all diejenigen einen Fehler beginnen, die sich darauf beriefen.
Das Versagen des Markus Lanz
Statt hier einzuhaken und Brosius-Gersdorf mit dem Wortlaut des Grundgesetzes zu konfrontierten, kommentierte Markus Lanz die Einlassungen seines Gastes lediglich mit einem zustimmenden: „Klar.“ Das verstehe, wer will.
Es bleibt natürlich richtig, dass Frauke Brosius-Gersdorf in den Sozialen Netzwerken durch eine bis zur Verfälschung reichenden Vergröberung ihrer ebenfalls nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehenden Positionen zum Recht auf Leben und der Menschenwürde, Unrecht erfahren hat. Dennoch müsste auch Markus Lanz zwischen dem berechtigten Mitleid mit einer Person, über die in den oft asozialen Netzwerken hergefallen wurde und der berechtigten Kritik an den der Verfassung zuwiderlaufenden Positionen einer Staatsrechtlerin, die für das höchste Richteramt im Staate nominiert wurde, unterscheiden können.
Abgeordnete dürfen sich nachträglich bestätigt sehen
Viele Abgeordnete der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag haben genau das trennscharf getan. Und zwar in so ausreichender Zahl, dass die Wahl von Brosius-Gersdorf auch für sie selbst in einem Debakel geendet wäre und daher kurzerhand abgeblasen wurde. Sie alle dürfen sich in ihrer höchst unbequemen Entscheidung durch den Auftritt der Potsdamer Juraprofessorin bei Lanz jetzt noch einmal nachträglich bestätigt sehen. Denn wie der meist kluge Volksmund reimt: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“
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