Nach der gescheiterten Wahl und der breiten Kritik an der von der SPD für einen Posten am Bundesverfassungsgericht nominierten Potsdamer Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf fordert der „Christliche Gewerkschaftsbund Deutschland“ (CGB) die Sozialdemokraten dazu auf, ihre Kandidatin zurückzuziehen. Die SPD solle „nicht länger auf die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf pochen, sondern die parlamentarische Sommerpause zur Suche nach einer konsensfähigen Kandidatin bzw. eines konsensfähigen Kandidaten nutzen“, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme.
Die Partei habe zwar das Vorschlagsrecht für zwei der drei zu besetzenden Verfassungsrichterstellen, „aber keinen Anspruch, dass ihren Wahlvorschlägen auch gefolgt wird“. Die Union wiederum warnt der CGB davor, „aus Koalitionsräson einer umstrittenen Kandidatin zum Amt als Verfassungsrichterin zu verhelfen“.
Söder sieht kaum noch eine Möglichkeit für Wahl Brosius-Gersdorfs
Indes legte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) Brosius-Gersdorf am Freitag im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ indirekt nahe, von ihrer Kandidatur abzusehen. Die Juristin mache sich „bestimmt Gedanken, wie sie mit der Situation umgeht“, so Dobrindt. Und weiter: „Als Bewerberin für eine Position im Verfassungsgericht hat man wohl kaum die Intention, die Polarisierung in der Gesellschaft weiter zu befördern.“ Die Überhöhung einer Person für ein herausgehobenes Amt wäre unabhängig von Brosius-Gersdorf „die falsche Reaktion“, so der Innenminister.
Zuvor hatte bereits Dobrindts Parteikollege, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, erklärt, dass er kaum mehr eine Möglichkeit für eine Wahl Brosius-Gersdorfs sehe. Dennoch will die SPD bislang weiter an ihrer Personalie festhalten. Brosius-Gersdorf selbst hatte am Mittwochabend in der ZDF-Sendung von Markus Lanz eine Hintertür für einen Rückzug offengelassen – für den Fall, dass die Debatte um ihre Person so groß werde, dass das Verfassungsgericht am Ende beschädigt werden könne.
Brodkorb: „Dieser Punkt ist längst überschritten"
Wörtlich sagte die 54-Järhige: „Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten. Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten.“ Sie wolle auch nicht verantwortlich sein „für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert“. Darauf erwiderte der „Cicero“-Kolumnist und SPD-Politiker Matthias Brodkorb am Donnerstag bei „Welt TV“: „Dieser Punkt ist nicht nur erreicht, der ist längst überschritten.“ Wolle sich Brosius-Gersdorf an das halten, was sie bei Markus Lanz gesagt habe, „müsste sie die Koffer packen“.
Mit seiner Partei ging Brodkorb heftig ins Gericht: Er warf die Frage auf, wie die SPD angesichts der Spaltung der Gesellschaft jemanden wie Brosius-Gersdorf vorschlagen könne. Deren juristische Qualifikation ziehe er zwar nicht in Zweifel. „Im Sinne des gesellschaftlichen Konsenses und des Zusammenhalts einen solchen Personalvorschlag zu unterbreiten“, sei jedoch „eine Provokation. Das kann gar nicht dazu führen, die Gesellschaft zusammenzuführen, es bewirkt das Gegenteil“. DT/mlu
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