Geht es nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), so soll am 1. Januar das Bürgergeld das gegenwärtige Hartz-IV-System ablösen. Geplant ist ein Regelsatz von 502 Euro im Monat für alleinstehende Erwachsene - der Hartz-IV-Satz liegt im Moment bei 449 Euro im Monat. So sieht es zumindest der Gesetzentwurf vor, den die Ampel-Koalition beziehungsweise das Bundekabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Nun haben Bundestag und Bundesrat das Wort.
Nicht so sehr die angedachte Höhe des neuen Bürgergeldes sorgt für kritische Stimmen, sondern der ebenfalls mit dem Gesetzesentwurf angedachte Abbau von Sanktionen und Strafmaßnahmen gegenüber denjenigen Arbeitssuchenden, die nicht mit dem Jobcenter kooperieren wollen. So sollen künftig im ersten halben Jahr der Arbeitslosigkeit nur eingeschränkt Leistungsminderungen möglich sein, wenn jemand Termine beim Jobcenter versäumt hat. Bei sogenannten Pflichtverletzungen hingegen, wenn also eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wurde, soll es im ersten halben Jahr gar keine Sanktionen mehr geben. „Respekt“ und „Begegnung auf Augenhöhe“ sagen die einen, „Verführung zum Nichtstun“ und „Demotivation zur Arbeitssuche“ sagen die anderen.
Sozial ist, was Arbeit schafft
Man muss sich in der Tat fragen, ob es ausgerechnet in Zeiten des durch die Folgen der Corona-Pandemie sowie des demografischen Wandels verursachten eklatanten Arbeitskräftemangels das Gebot der Stunde sein soll, vonseiten des Gesetzgebers eine Pause beim bislang geltenden Fördern und Fordern bei der Arbeitssuche einzulegen. Gerade hinsichtlich der Tatsache, dass 1,7 Millionen offenen Stellen eine annähernd gleich große Anzahl an statistisch erfassten Langzeitarbeitslosen gegenübersteht, mit denen zumindest in der Theorie auf einen Schlag alle offenen Stellen besetzt werden könnten, sollte eher dazu veranlassen, alles nur denkbar Mögliche zu tun, um eben diese Menschen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es sei denn: Man traut es insgeheim jenen 1,7 Millionen Langzeitarbeitslosen nicht zu, selbst einfachsten Tätigkeiten nachgehen zu können und alimentiert diese stattdessen lieber still und heimlich einfach weiter, was einem arbeitspolitischen Offenbarungseid und einer Einführung des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ durch die Hintertür gleichkommen würde.
Klar ist: Deutschland und Europa befinden sich in politisch und ökonomisch aufwühlenden Zeiten – und der Wunsch nach sozialer Absicherung in Zeiten von Rekordinflation und explodierenden Energiepreisen ist vollkommen verständlich. Hier müssen sowohl Deutschland als auch die EU in der Tat Handlungsfähigkeit beweisen – sowohl in Form von Energiepreisbindungen, wirklich sinnmachenden Steuer- und Entlastungspaketen für Unternehmen und Bürger bis hin zur ultima ratio von Übergewinnsteuern für Unternehmen, deren Gewinne nicht zum Wohle ihrer Kunden eingesetzt werden. Doch ein Anreiz, in puncto Arbeitsuche erst einmal alle Fünfe grade sein zu sein lassen, darf in diesen Zeiten nicht dazu gehören. Denn jeder beziehungsweise jede Arbeitskraft wird gebraucht – mehr denn je.