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US-Experte Hochgeschwender: Gute Gründe, weshalb viele Trump wählen

US-Präsident Biden habe viele enttäuscht, meint der Münchner Nordamerika-Experte im Gespräch – und erklärt, woher die Begeisterung für Trump rührt.
Trump-Anhänger in New Hampshire
Foto: IMAGO/Jasper Colt (www.imago-images.de) | Donald Trump kann auf eine feste Basis von Kernwählern setzen wie hier in Manchester im Bundesstaat New Hampshire. Wenn er dort am Dienstag gewinnt, könnte er bereits als Kandidat der Republikaner feststehen.

Nach Ansicht des Nordamerika-Experten Michael Hochgeschwender ist der republikanische Präsidentschaftsanwärter Donald Trump heute viel besser auf das Amt vorbereitet als vor acht Jahren. „Während seiner ersten Amtsperiode merkte man, dass er überhaupt keine Ahnung von dem hat, was er tut“, meint Hochgeschwender im ausführlichen Gespräch mit der „Tagespost“. In den letzten Jahren habe er allerdings zuverlässige Leute um sich geschart. „Und noch wichtiger: Er verfügt über die Kontrolle der Partei sowohl im Repräsentantenhaus wie auch im Senat“, so der 62-Jährige. Unterm Strich sei Trump heute viel besser in der Partei positioniert, als er es noch vor einigen Jahren war.

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Die Begeisterung für Trump hat nach Ansicht Hochgeschwenders zwei unterschiedliche Ebenen. Zum einen die politische: Teilen der amerikanischen Gesellschaft sei es wirtschaftlich schlicht unter Trump besser gegangen als unter Biden. Dazu komme noch eine psychologische Dimension. „Viele sagen, Trump ist endlich einer, der es diesem Establishment zeigt, das seit Jahrzehnten den Ton angibt, das gesellschaftliche Projekte verfolgt, die uns nicht gefallen, etwa in Sachen LGBTQ-Interessen oder Migration.“ Dadurch habe sich eine Gemengelage entwickelt, „in der viele Wähler Trump als denjenigen sehen, der am ehesten aufräumt“.

Hochgeschwender: Bei den Demokraten ist sehr viel Überheblichkeit im Spiel

Dagegen hätten die Demokraten unter ihrem amtierenden Präsidenten Joe Biden viele Wähler enttäuscht, betont Hochgeschwender, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität eine Professur für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie innehat. Wörtlich erklärt er: „So gut haben sie sich ökonomisch nicht geschlagen. Grundsätzlich kümmern sie sich nicht hinreichend um ihre klassische Klientel.“

Der Nordamerika-Experte rät der Partei, sich wieder darauf zu besinnen, eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik zu betreiben, anstatt den Gegner zu denunzieren. „Man denunziert ja nicht nur Trump, sondern im Grunde all seine Wähler.“ Auf Seiten der Demokraten sei sehr viel Überheblichkeit im Spiel. „Das war schon unter Hillary Clinton der Fall. Unter Biden sollte es besser werden, doch da hat er viele enttäuscht.“

Mit Blick auf die Katholiken, die immerhin gut ein Fünftel der US-Bevölkerung ausmachen, prognostiziert Hochgeschwender, dass diese auch 2024 wieder zwischen Trump und Biden gespalten sein werden – abhängig davon, ob sie eher progressiv oder konservativ eingestellt seien. Für konservative Katholiken hätten die Demokraten eigentlich keine Angebote, so Hochgeschwender. „Warum sollten konservative Katholiken Biden wählen?“ Die einzige Alternative zu Trump für diese Wählergruppe sei es, nicht wählen zu gehen. „Aber dafür hegen sie zu großen Groll gegen die Demokraten. Insbesondere, nachdem Biden auch in der Abtreibungsfrage umgefallen ist“, so Hochgeschwender. Gleichzeitig gelte für progressive Katholiken, dass sie die Republikaner nicht wählen könnten.

Mangelnde Kompromissbereitschaft in US-Gesellschaft

Angesichts der zunehmenden Spaltung der amerikanischen Gesellschaft sieht Hochgeschwender grundsätzlich eine mangelnde Bereitschaft zu Kompromissen in der Bevölkerung. „Wer Kompromisse schließt, gilt immer als faul“, betont er. Diese Einstellung ginge so weit, dass manche lieber die politische Gegenseite wählten, um radikales Missfallen kundzutun, wenn sie ihre Forderungen nicht zu einhundert Prozent erfüllt sehen. So gebe es die Haltung: „Ehe ich diesen alten Opa Biden wähle, wähle ich lieber den radikalen Opa Trump. Der ist wenigstens radikal.“

Um der Spaltung der Gesellschaft und dem sich verschlechternden Diskursklima entgegenzuwirken, rät Hochgeschwender: „Wir sollten vorsichtig sein mit den Begriffen. Vorsichtig sein damit, der anderen Seite permanent nur bösen Willen zu unterstellen.“ Auch die Medien sieht Hochgeschwender in der Pflicht, zu vermitteln und unterschiedliche Argumente aufzuzeigen. „Man müsste differenzierter argumentieren“, so der Lehrstuhlinhaber und Buchautor. Trump sei als Person eine fragwürdige Figur. „Und das kann man auch ganz offen sagen. Aber man muss auch sagen, dass es Gründe gibt, weshalb große gesellschaftliche Gruppen in den USA ihn wählen. Und das sind immerhin 75 Millionen Wähler. Die können nicht alle bescheuert sein.“

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Indes wird am Dienstag der republikanische Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur in die zweite Runde gehen. Dann stehen die Vorwahlen im Neuengland-Bundesstaat New Hampshire an. Für eine Überraschung im Vorfeld sorgte der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, der im Bundesstaat Iowa mit deutlichem Abstand auf dem zweiten Platz hinter Trump gelandet war. Am Sonntag gab er bekannt, seine Kandidatur zurückzuziehen und Trump im Wahlkampf zu unterstützen. 

Trump könnte schon am Mittwoch als Kandidat der Republikaner feststehen

Damit ist die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley die einzige Gegenkandidatin Trumps. Die 52-Jährige, die am ehesten für eine Politik des alten republikanischen Partei-Establishments steht, hofft nun, diejenigen republikanischen und unabhängigen Wähler hinter sich vereinen zu können, die eine zweite Amtszeit Trumps kritisch sehen. 

In New Hampshire lag Haley in Umfragen lange nur knapp hinter Trump. Der Vorsprung des 77-Jährigen wuchs zuletzt jedoch bis in den zweistelligen Bereich an. Noch unklar ist, wie sich das Ausscheiden DeSantis‘ auf das Wahlergebnis auswirken wird. Die größeren politischen Schnittmengen existieren zwischen DeSantis und Trump. Daher ist durchaus denkbar, dass der umstrittene Ex-Präsident eher profitieren wird als Haley. 

Sollte es Haley nicht gelingen, Trump in New Hampshire zu schlagen, ist damit zu rechnen, dass sie das Rennen schon bald verlassen wird, womit sich Trump bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Vorwahlkampfes die Nominierung gesichert hätte. Mit einem Ergebnis aus New Hampshire ist am Mittwochmorgen zu rechnen.  DT/mlu

Drohen die Spaltung und der Unwille zum Kompromiss auch in Deutschland? Welche Rolle spielt Identitätspolitik für das sich verschlechternde Diskursklima? Was kommt für die Republikaner nach Donald Trump? Die Antworten erfahren Sie im ausführlichen Interview in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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