Ob in New York City, Chicago oder auf Hawaii: Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, dokumentiert die US-Einwanderungsbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) medienwirksam, wie sie landesweit gegen mutmaßlich straffällige Einwanderer ohne Aufenthaltstitel vorgeht. Seit dem Machtwechsel soll es laut der Behörde bereits zu 3.500 Verhaftungen gekommen sein, 1.200 davon allein am vergangenen Montag. Die neue Heimatschutzministerin, Kristi Noem, der die Einwanderungsbehörde untersteht, nahm sogar selbst an einer Durchsuchung in New York teil, bei der offenbar ein Einwanderer ohne Papiere festgenommen wurde, dem Einbruch und Entführung vorgeworfen wird. Noems Botschaft dazu auf X: Solche „Drecksäcke“ werde man in Zukunft von den Straßen entfernen.
Eineinhalb Wochen nach der Amtseinführung lässt sich festhalten: Die ersten Tage als neuer US-Präsident verliefen für Trump turbulent. Ob Wirtschaft, Genderpolitik oder Klimaschutz: Der neue US-Präsident versuchte von Anfang an, dem Kurs des Landes in sämtlichen Politikbereichen seinen Stempel aufzudrücken. Meist kam das einer radikalen Abkehr von der Politik seines Vorgängers Joe Biden gleich. Da Trump ohne Absprache mit dem Kongress nur auf sogenannte „Präsidialdekrete“ zurückgreifen kann, die jeweils nur für die Dauer seiner Amtszeit Gültigkeit besitzen, bleibt noch abzuwarten, wie nachhaltig der Republikaner das Land damit verändern wird. Eines steht jedoch schon fest: Es dürfte kaum zwei Themenfelder geben, die das Dilemma der katholischen Kirche im Umgang mit der neuen Regierung besser widerspiegeln als der Lebensschutz und die Migrationspolitik. Ein Dilemma, das auch die kommenden vier Jahre prägen wird.
Trump setzt "Mexico City Policy" wieder ein
Während Abtreibungsgegner in den ersten Dekreten leer ausgingen, die Trump teils publikumswirksam inszeniert vor Tausenden Anhängern in der Washingtoner „Capital One Arena“ unterzeichnete, stellten sie bald mit Freuden fest, dass eine von der Biden-Regierung eingerichtete Website mit Informationen zu Abtreibungsdienstleistungen, „reproductiverights.gov“, offenbar vom Netz genommen wurde. Ende der vergangenen Woche dann großer Jubel in der US-Lebensrechtsbewegung: Trump begnadigte 23 Pro-Life-Aktivisten, die von der Biden-Regierung unter Berufung auf Verstöße gegen den „FACE“-Act inhaftiert worden waren – dabei hatten sie lediglich friedlich vor Abtreibungskliniken demonstriert.
Dementsprechend wurde dem 78-Jährigen ein warmer Empfang bereitet, als er sich nur wenig später per Videobotschaft aus dem „Oval Office“ an die Teilnehmer des „March for Life“ wandte. Diese hatten sich am Freitag zu Zehntausenden in der US-Hauptstadt versammelt, um bei Temperaturen um den Gefrierpunkt unter dem Motto „Life: Why we march“ (dt. Leben: Warum wir marschieren) von der „National Mall“ zum Gebäude des Obersten Gerichtshofs der USA zu ziehen.
In seiner Videobotschaft wandte sich Trump mit Dank, Lob und umfassenden Unterstützungsbekundungen an die Marschteilnehmer – und kündigte an, sich auch in seiner zweiten Amtszeit „stolz für Familien und für das Leben“ einsetzen zu wollen. Kurz darauf ließ er Taten folgen: Er setzte die sogenannte „Mexico City Policy“ wieder ein – ein Gesetz, das es verbietet, ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Abtreibungen anbieten oder fördern, mit staatlichen Mitteln zu finanzieren. Trumps Vorgänger Biden hatte diese vom Republikaner Ronald Reagan 1984 erstmals eingeführte Leitlinie zu Beginn seiner Amtszeit ausgesetzt. Zudem kündigte Trump an, in Haushaltsentwürfen wieder auf das sogenannte „Hyde Amendment“ zu bauen. Die Klausel aus dem Jahr 1976 verbietet die staatliche Finanzierung von Abtreibungen mit Steuergeldern. Die Biden-Regierung hatte zuletzt nicht mehr auf das Amendment gesetzt.
Vance: „Ich will mehr fröhliche Kinder in unserem Land"
An der größten Lebensrechts-Demonstration der USA nahmen auch mehrere prominente Republikaner persönlich teil, unter ihnen der neue Vizepräsident, J.D. Vance. Mit seiner Anwesenheit schaffte Vance ein Novum: Noch nie zuvor hatte ein amtierender Vizepräsident am Marsch teilgenommen. In seiner Analyse, weshalb es notwendig sei, für den Schutz von Ungeborenen auf die Straße zu gehen, ging der 40-Jährige tiefer: „Eine Kultur des radikalen Individualismus hat Wurzeln geschlagen, eine Kultur, in der die Verantwortung und die Freuden des Familienlebens als Hürden angesehen werden, die es zu überwinden gilt, nicht als persönliche Erfüllung oder persönlicher Segen.“ Den Teilnehmern rief Vance zu: „Ich will mehr Babys in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich will mehr fröhliche Kinder in unserem Land.“ Es brauche „eine Kultur, die das Leben in allen Stadien feiert“.
Der Erzbischof von Kansas, Joseph Naumann, sprach das Gebet zu Beginn des Marsches. Der ehemalige Vorsitzende des Lebensschutz-Komitees der US-Bischöfe betonte, mit dem Regierungswechsel, insbesondere mit der Begnadigung der Lebensrechtsaktivisten, habe ein neuer Geist der Hoffnung Einzug gehalten. Der Lebensschutz sei „die wichtigste Menschenrechtsfrage unserer Zeit“, erklärte Naumann gegenüber der „Catholic News Agency“.
Auch die US-Bischofskonferenz begrüßte die ersten Maßnahmen der Trump-Regierung zum Lebensschutz. Explizites Lob gab es für die Maßgabe, Abtreibungen nicht mehr mit Steuergeldern zu fördern. „Eine große Mehrheit der Amerikaner lehnt es ab, Abtreibungen mit ihren Steuern zu finanzieren“, erklärte Bischof Daniel Thomas von Toledo, der aktuelle Vorsitzende des Lebensrechts-Komitees. Er sei dankbar, dass man nicht mehr gezwungen werde, „bei einer Kultur des Todes mitzumachen“, sondern stattdessen eine „Kultur des Lebens im In- und Ausland“ etablieren könne. Auch die Begnadigung der 23 Pro-Life-Aktivisten begrüßte Thomas: „Amerikaner, die für den Lebensschutz sind, haben ein Recht darauf, in der Öffentlichkeit zu beten, Frauen zu beraten, die über eine Abtreibung nachdenken, und friedlich zu protestieren.“
Migrationspolitik droht zum offenen Streitpunkt zu werden
Zweifellos konnte die Trump-Regierung in den ersten Tagen bei US-Lebensrechtlern punkten. Ob der neue US-Präsident eines der dringlichsten Anliegen aufgreifen wird, und zwar den Zugang zur Abtreibungspille „Mifepriston“ einzuschränken, bleibt jedoch weiterhin fraglich. Das Präparat wird derzeit für mehr als zwei Drittel aller landesweiten Abtreibungen eingesetzt. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, die Pille solle weiter verfügbar bleiben.
Regelrecht über Kreuz liegen die Bischöfe mit der Trump-Regierung dagegen in der Migrationspolitik. Dass hier, gelinde gesagt, ein Dissens besteht, konnte man schon während Trumps erster Amtszeit erleben. Nun droht das Thema jedoch schnell zum offenen Streitpunkt zu werden. Sogar die jahrzehntelange, konstruktive Zusammenarbeit zwischen Kirche und Regierung könnte auf dem Spiel stehen.
Der Grund: Mit Amtsantritt begann Trump, eine Kehrtwende in der Einwanderungspolitik einzuleiten, durch die die Bischöfe humanitäre Mindeststandards in Gefahr sehen. So erklärte der Republikaner einen Notstand an der US-Südgrenze, was den Einsatz zusätzlicher finanzieller Mittel sowie des Militärs ermöglicht. Er verhängte einen vorübergehenden Aufnahmestopp von Flüchtlingen und führte die „Remain in Mexico“-Policy wieder ein, unter der Migranten, die in den USA einen Asylantrag stellen, in Mexiko auf ihren Asylbescheid warten müssen. Für heftigen Gegenwind sorgte insbesondere eine Anordnung, die es den Einwanderungsbehörden ICE und CBP ermöglicht, künftig auch Razzien an „sensiblen Orten“ wie Kirchen, Krankenhäusern oder Schulen durchzuführen, um Personen ohne Aufenthaltsrecht abzuschieben.
US-Bischöfe weisen Vorwürfe zurück
Dagegen liefen die US-Bischöfe Sturm: Wenn Durchsuchungen in Schulen, Kirchen, Wohltätigkeitsorganisation oder Krankenhäusern durchgeführt würden, ohne dass ein Notfall vorliege, „liefe das dem Gemeinwohl zuwider“, heißt es in einer Stellungnahme, die unter anderem der Migrationsbeauftragte, Bischof Mark J. Seitz, unterzeichnete. Bereits jetzt beobachte man, dass Einwanderer zurückhaltender dabei seien, sich im Alltag zu engagieren und zögerten, „ihre Kinder zur Schule zu schicken und Gottesdienste zu besuchen“.
Daraufhin stellte der neue Vizepräsident, J.D. Vance, am Sonntag sogar die Aufrichtigkeit der bischöflichen Hilfe für Migranten in Frage. Im Interview mit dem Sender „CBS“ erklärte er, die US-Bischöfe sollten „in den Spiegel schauen“ und sich fragen, ob es ihnen wirklich um humanitäre Bedenken oder eher um den eigenen Profit ginge, da sie von der Regierung „mehr als 100 Millionen Dollar für die Umverteilung von illegalen Einwanderer erhalten“. Die US-Bischofskonferenz sei „kein guter Partner“ bei einem migrationspolitischen Ansatz gewesen, „der dem gesunden Menschenverstand folgt, und für den auch die amerikanischen Bürger gestimmt haben“. Als gläubiger Katholik hoffe er, dass sie in Zukunft bessere Arbeit leisteten.
Die US-Bischöfe wiesen die Vorwürfe des Vizepräsidenten umgehend zurück: Getreu der Lehre Jesu Christi blicke die katholische Kirche auf eine lange Geschichte der Flüchtlingshilfe zurück. Schon seit 1980, als der Kongress das „US Refugee Admissions Program (USRAP)“ ins Leben gerufen habe, arbeite man mit der Regierung bei der Flüchtlingsaufnahme zusammen. Dafür erhalte man finanzielle Mittel. Diese reichten jedoch nicht aus, um die gesamten Kosten des Programms zu tragen.
Lob auf der einen, Kritik auf der anderen Seite: Die US-Bischöfe zeigten in ihrer Reaktion auf Trumps Flut an Dekreten, dass sie einen überparteilichen Ansatz verfolgen. In diesem Sinne äußerte sich auch Erzbischof Timothy Broglio, der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz: Weder die Bischöfe noch die katholische Kirche insgesamt würden die Linie einer politischen Partei vertreten. „Egal wer im Weißen Haus sitzt oder über eine Mehrheit im Kongress verfügt: Die Lehre der Kirche bleibt unverändert.“
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