Keine Frage. Dass US-Präsident Donald Trump gestern 23 Lebensrechtsaktivisten begnadigte, die von der Administration des ehemaligen US-Präsident Joe Biden unter Berufung auf Verstöße gegen den „FACE“-Act inhaftiert worden waren, ist weder frei von Symbolpolitik noch Eigennutz. Denn wenn sich Trump zu dem heute in Washington stattfindenden „March for Life“ per Videoschalte zuschalten lassen wird, dürfte ihm dieser Federstrich einen warmen Empfang bereiten.
Im Wahlkampf hatte Trump viele US-amerikanische Lebensrechtler mit seinem Eintreten für den Fortbestand der skandalösen Abgabepraxis der Abtreibungspille „Mifeprex“, mit der inzwischen mehr als 70 Prozent aller vorgeburtlichen Kindstötungen in den USA durchgeführt werden, und seiner Weigerung, die wild wuchernde Kinderwunsch-Industrie zu regulieren, die aus Kindern herstellbare Handelswaren macht, schockiert und frustriert.
Dass ihm dies bei den US-Präsidentschaftswahlen nicht empfindlich auf die Füße fiel, dürfte nicht zuletzt an der zur Wahl stehenden Alternative gelegen haben. Es ist eines, sich dem Tun des Notwendigen zu verweigern und damit die Zahl der Übel nicht zur verringern, obwohl man die Macht dazu hätte. Etwas ganz anderes aber ist es, seine Macht dazu zu nutzen, die Zahl der Übel zu maximieren.
Ziviler Ungehorsam sollte im Keim erstickt werden
Anders als die Teilnehmer am Sturm auf das Kapitol haben die Lebensrechtler friedlich auf dem Gelände von Abtreibungseinrichtungen und Fruchtbarkeitskliniken protestiert. Auch das kann man selbstverständlich als „Hausfriedensbruch“ werten. Nur ist dabei niemand zu Schaden, geschweige denn zu Tode gekommen. Der 1994 verabschiedete FACE-Act (FACE = Freedom of Access to Clinic Entrances), sieht dafür dennoch bereits bei der ersten Übertretung Geldstrafen von bis zu 10.000 US-Dollar sowie Haftstrafen von bis zu einem Jahr vor.
„Ziviler Ungehorsam“, soll, so der Plan hinter dem Bundesgesetz, auf diese Weise im Keim erstickt werden. Wenn Trump nun erklärt, dass die 23 Aktivisten, die in den USA ähnlich gefeiert werden wie hierzulande die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ungleich gefährlicheren Klimakleber, „nie hätten verfolgt werden dürfen“, liegt er richtig. Lebensrechtler dürfen ihm dafür dankbar sein. Nur sollte sie dies nicht daran hindern, ihm, wo nötig, zu widersprechen. Denn blinde Gefolgschaft ist immer falsch. Und dies ganz unabhängig davon, um wen es sich dabei handelt.
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