Wer hätte dies vor vier Jahren für möglich gehalten? Insbesondere nach den erschreckenden Bildern, die der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 produzierte. Der Republikaner Donald Trump ist zum zweiten Mal ins Amt des US-Präsidenten gewählt worden.
Paradoxerweise dürfte Trump es im Rückblick seinem unumstößlichen Festhalten an dem Narrativ, der Wahlsieg sei ihm 2020 von den Demokraten gestohlen worden, zu verdanken haben, dass er seine Dominanz in der Partei behalten, ja sogar noch ausbauen konnte. Die Lüge vom Wahlbetrug wurde somit zum Kitt, der die Reihen hinter ihm noch enger zusammenschweißte. Denn sie zwang die Vertreter des einstmaligen Partei-Establishments zum Bekenntnis: Entweder ihr seid für mich oder gegen mich. Dazwischen gab es nichts. Dass sich auch zahlreiche seiner einstigen parteiinternen Kritiker in diesem Prozess zu ihm bekannten, ist nicht zuletzt auch der Einsicht geschuldet, dass die Gefolgschaft Trumps derzeit den einzigen Weg zur Macht innerhalb der Republikaner darstellt.
Zunehmendes Misstrauen gegenüber der etablierten Polit-Elite
Denn der Trumpismus lebt. Und er könnte noch für lange Zeit fortbestehen, womöglich sogar eine neue politische Ära prägen. Die Wohlstandsversprechen des im Grunde seit der Präsidentschaft Ronald Reagans in den USA dominanten Neoliberalismus zerschellten bereits Anfang der 2000er Jahre im Zuge der Finanzkrise und der gescheiterten Auslandseinsätze im Irak und in Afghanistan an der Realität. Zurück blieb eine Gesellschaft, in der sich immer mehr Bürger wirtschaftlich abgehängt und verunsichert fühlten. In ihrem zunehmenden Misstrauen gegenüber der etablierten Polit-Elite wandten sie sich auf linker wie auf rechter Seite alternativen Heilsversprechern zu – man denke neben Trump auch an den Sozialisten Bernie Sanders. Die Amtszeit Joe Bidens dürfte im Rückblick fast als Anachronismus, als Ausnahme vom generellen Trend zu bewerten sein, die auch durch außergewöhnliche Umstände möglich wurde: Stichwort Covid-Pandemie.
Die Demokraten sollten über ihre Niederlage nicht überrascht sein: Die Anzeichen waren stets erkennbar, dass die anfängliche Begeisterung für ihre Kandidatin Kamala Harris trügerisch war – und nicht dem tatsächlichen Potenzial entsprach, das in ihrer eilig zusammengeschusterten Wahlkampagne steckte. Sie scheiterte dabei auch an dem Spagat, sich von Biden distanzieren zu müssen, während sie dessen Politik doch vier Jahre lang mitgetragen hatte.
Mit überbordender Identitätspolitik und „Political Correctness“gescheitert
Für die Partei muss es nun darum gehen, sich neu zu sortieren und aus ihren Fehlern zu lernen: Dazu gehört auch, dass die Demokraten eine Politik betrieben, die maßgeblich zugunsten verschiedener Minderheiten ging, dabei aber die Mehrheit, insbesondere die einstige Kernklientel der Arbeiterschaft, aus den Augen verlor. Jetzt haben sie es schwarz auf weiß: Ihre überbordende Identitätspolitik und „Political Correctness“ treffen eben nicht den Geschmack der so wichtigen moderaten Wähler. Eine weitgehend schrankenlose progressive Gesellschaftspolitik, die dem Lebensschutz noch weiter das Leben erschwert hätte, bleibt Amerika so glücklicherweise vorerst erspart. Doch auch Trump muss erst noch beweisen, dass der Lebensschutz für ihn mehr als nur ein Mittel zum Zweck des Wahlsiegs darstellt.
Dem transatlantischen Verhältnis stehen jetzt zwar ungewissere Zeiten bevor. Jedoch könnte Trumps Sieg sogar heilsame Effekte mit sich bringen. Die Versuchung, unter Kamala Harris die Hände in den Schoß zu legen, auf den „großen Bruder“ Amerika zu hoffen und die notwendigen verteidigungspolitischen Hausaufgaben weiter aufzuschieben, wäre doch allzu groß gewesen. Im besten Fall dient Trumps Einzug ins Weiße Haus den militärisch eingerosteten Staaten Europas, zu denen auch Deutschland zählt, als Weckruf, um wieder mehr in die eigene Sicherheit zu investieren.
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