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Showdown beschlossen

Suizidhilfe: Bundestag debattiert morgen drei Stunden lang – Namentliche Abstimmung gegen 12:00 Uhr.
Michael Brand (CDU) sieht in den Entwürfen kein Schutzkonzept.
Foto: Tobias Koch/Wikimedia/ CC-BY-SA-3.0-DE | Der Abgeordnete Michael Brand(CDU) sieht in den Entwürfen kein Schutzkonzept.

Der Deutsche Bundestag wird in seiner letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause nun endgültig abschließend über die gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe befinden. Forderungen der Bundesärztekammer, mehrerer Landesärztekammern und medizinischer Fachgesellschaften, die eine Vertagung der Zweiten und Dritten Lesung für nach der Sommerpause ins Spiel gebracht hatten, blieben unberücksichtigt. Stattdessen wurde die vorgesehene Dauer der Debatte von 105 auf 180 Minuten ausgedehnt. Wie bei Themen üblich, die als Gewissensfrage eingestuft werden, wird der Fraktionszwang für die Dauer Debatte und der Namentliche Abstimmung aufgehoben. Die Debatte, die am morgigen Donnerstag um 9.00 Uhr beginnt, wird im Parlamentsfernsehen und von dem Ereigniskanal Phoenix übertragen.

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Brand: „Es darf keine Normalisierung des Suizids geben“

Unterdessen warb der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundesfraktion Michael Brand (CDU), der maßgeblich an der Reform der Suizidhilfe im Jahr 2015 beteiligt war, heute dafür, beide zur Wahl stehenden Gesetzesentwürfe abzulehnen. „Der Teufel steckt wie oft im Detail, die weitreichenden Gesetzentwürfe sind viel zu wenig diskutiert im Parlament, mit Verbänden, Experten und Betroffenen“, kritisierte Brand. Es wäre unverantwortlich, eine „fatale Entwicklung bei der Suizidbeihilfe loszutreten durch eine gesetzliche Regelung, die als angeblich strikte Regelung nach 3 Monaten todbringende Medikamente ausgibt. Das ist kein Schutzkonzept, sondern das Einreißen von Schutzplanken.“ Ein durch gesetzliche Regelung entstehendes „staatliches Gütesiegel für Suizid“ würde eine „tödliche Dynamik in Gang setzen, die zum Türöffner“ für die spätere Aufweichung des Schutzkonzeptes werde. „Die Entwicklungen in Nachbarländer haben gezeigt, dass die angeblich klaren Kriterienkataloge nicht halten.“ Brand: „Es darf keine Normalisierung des Suizids geben“, fordert der Abgeordnete.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), Ulrich Demel. „Wir brauchen kein Gesetz, das Menschen in persönlichen Konfliktsituationen die Beendigung ihres Lebens erleichtert. Viel wichtiger wären eine gute Aufklärungsarbeit und konkrete Hilfsangebote für Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich das Leben zu nehmen“, erklärte Demel. Das Bundesverfassungsgericht habe am Aschermittwoch 2020 mit seinem Urteil den Wunsch des Individuums über den Schutz der Schwächeren gestellt. Gleichzeitig sei dazu geraten worden, Regeln zur so genannten „Sterbehilfe“ zu entwickeln. „Solche Regeln könnten viel besser in einem gesellschaftlichen Diskurs entstehen, statt ein Gesetz zu schaffen, das letztlich der Förderung der Selbsttötung dienen wird“, so Hemel weiter. Der BKU-Vorsitzende verwies darauf, dass sich der Schweiz, wo die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid gesetzlich legitimiert worden sei, die Zahl der Selbsttötungen seitdem mehr als verdoppelt habe.

Bätzing: Suizidprävention stärken

Dagegen sprach sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzig, indirekt für die Annahme des Entwurfs einer Gruppe von Parlamentariern um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) aus. Es gelte „ein qualitativ anspruchsvolles und umfassendes legislatives Schutzkonzept zu entwickeln, das, soweit wie möglich, die Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches zu gewährleisten versucht und zugleich ein dem Leben zugewandtes Gesamtklima und eine Kultur gegenseitiger Fürsorge und Zuwendung bewahrt.“ Benötigt werde „ein angemessener Qualitätsmaßstab für eine verlässliche fachliche Begutachtung der Freiverantwortlichkeit und der Dauerhaftigkeit des Suizidwillens. Hierfür bedarf es einer besonderen psychologischen und medizinischen Kompetenz“, so Bätzing.

In einem legislativen Schutzkonzept komme der Beratung eine hohe Bedeutung zu. Dazu sollte keine spezielle Infrastruktur für eine Beratung zur Suizidassistenz aufgebaut werden, sondern die Beratung sollte im bestehenden, allgemeinen Regel- und Beratungssystem verortet sein, um eine an allen Sorgen und Nöten des Suizidwilligen ausgerichtete, niedrigschwellige und offene, fachliche Beratung sicherzustellen. „Der Vorschlag der Abgeordnetengruppe Helling-Plahr/Künast trägt den genannten Aspekten anders als der Entwurf der Abgeordneten um Castellucci/Heveling nicht hinreichend Rechnung.“

So enthalte der Entwurf der der Gruppe um die Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) „keine Vorgaben für die notwendige fachliche Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte, die das letal wirkende Mittel verschreiben. Eine verpflichtende Einbindung von Psychotherapeuten/Psychiatern im Verfahren ist nicht vorgesehen. Die Bewertung, ob ein freiverantwortlicher Wille vorliegt, soll der ärztlichen Einschätzung, unterstützt durch die Beratungsbescheinigung im konkreten Einzelfall, vorbehalten bleiben. Dies gilt auch für Fälle der Demenz oder psychischen Störung.“

Die Gesellschaft müsse darauf achten, „dass keine Situation entsteht, in der ein älterer oder kranker Mensch oder ein Mensch in einer existenziellen Krise eher eine gute Infrastruktur der Suizidassistenz vorfindet als ausreichende und angemessene Rahmenbedingungen, um sich vertrauensvoll in Pflege zu begeben, Hilfe zu erhalten und Hilfe anzunehmen. Für ein überzeugendes Schutzkonzept kommt es entscheidend darauf an, welche Signale der Gesetzgeber mit der Neuregelung des assistierten Suizids an die Gesellschaft sendet. Daneben ist die Suizidprävention im Sinne des Entschließungsantrags der Abgeordnetengruppe Castellucci/Heveling zu stärken, auszubauen und noch in dieser Legislaturperiode ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz zu verabschieden. Beides gehört zusammen“, so Bätzing weiter. DT/reh

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