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Open Doors: Gewalt gegen Christen erreicht neuen Höhepunkt

Zerstörte Kirchen, verfolgte und ermordete Gläubige: Der Weltverfolgungsindex von Open Doors listet auf, wo es für Christen am gefährlichsten ist, den Glauben auszuleben.
Christenverfolgung
Foto: Fr. Dr. Andrzej Halemba | In der Negativ-Rangliste von "Open Doors" finden sich die 50 Länder, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens der stärksten Verfolgung weltweit ausgesetzt sind.

Die Gewalt gegen Christen erreicht einen neuen Höhepunkt. Das geht aus dem neuen Weltverfolgungsindex 2024 hervor, den das christliche Hilfswerk Open Doors am Mittwoch veröffentlicht hat.

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In der Negativ-Rangliste finden sich die 50 Länder, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens der stärksten Verfolgung weltweit ausgesetzt sind. Kirchen werden zerstört oder geschlossen, Gottesdienste und mehrheitlich christliche Dörfer überfallen, Christen ermordet und Zehntausende vertrieben. Die Verfolger sind zumeist islamistische, hinduistische, buddhistische oder kommunistische Regime und Gruppierungen sowie Autokraten und kriminelle Banden. Aber auch Clans und Familien verfolgen ihre Angehörigen, wenn sie zum christlichen Glauben konvertieren.

An der Spitze: Nordkorea, Somalia, Libyen

Zu den zehn Ländern mit der stärksten Christenverfolgung zählt die Dokumentation Nordkorea, gefolgt von Somalia, Libyen, Eritrea, Jemen, Nigeria, Pakistan, Sudan, Iran und Afghanistan. Die bevölkerungsreichsten Länder der Welt, Indien und China, belegen demnach die Ränge elf und 19. 
Nach Angaben des Hilfswerks wurden 4.998 Christen weltweit wegen Ausübung ihres Glaubens getötet. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Von physischer Gewalt oder Todesdrohungen waren 42.849 Christen betroffen (2023: 29.411).  Angriffe auf Häuser von Christen nahmen gegenüber 2023 um 371 Prozent zu: von 4.547 auf 21.431. Aus ihren Häusern vertrieben wurden 278.716 Christen, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr mit 124.310. Weltweit sind 365 Millionen Christen wegen ihres Glaubens mindestens in hohem Maße Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt.

Bedrohlich ist weiter die Situation in Ländern südlich der Sahara. Allein in Nigeria wurden mindestens 4.118 Christen aufgrund ihres Glaubens getötet. In Äthiopien stieg die Zahl der Angriffe auf Kirchen, kirchliche Einrichtungen und Schulen von 22 im Vorjahr auf 284. In Burkina Faso und der Zentralafrikanischen Republik wurden jeweils weit mehr als tausend Geschäfte von Christen gebrandschatzt, geplündert oder beschlagnahmt, eine Steigerung um das Zehnfache gegenüber dem Vorjahr.

Weiteren afrikanischen Ländern auf dem Weltverfolgungsindex droht eine ähnliche Entwicklung, erläutert die Dokumentation. Demnach nutzen islamistische Gruppen die instabilen politischen Verhältnisse in der Region: „Sie und autokratische Regime nehmen Christen gezielt ins Visier. Der doppelte Druck führte zur Vertreibung aus ihren Dörfern und ganzen Regionen. Davon waren in den letzten Jahren rund 16,2 Millionen Christen südlich der Sahara betroffen.“

10.000 Kirchen in China geschlossen oder zerstört

In China ließ das Regime von Xi Jinping mittels alter und neuer Maßnahmen weitere 10.000 Kirchen schließen oder zerstören. In Pakistan und Indien sind es dagegen aufgewiegelte Volksmengen, die Kirchen attackieren. Im indischen Bundesstaat Manipur wurden im Mai 2023 laut Angaben des Erzbischofs von Imphal bei Ausbrüchen von Gewalt gegen Christen in nur 36 Stunden 249 Kirchen zerstört, insgesamt etwa 400. Mehr als 100 Christen wurden dabei ermordet, Zehntausende vertrieben.  In Indien wurden mindestens 160 Christen wegen ihres Glaubens von Hindunationalisten ermordet, gegenüber 17 im Vorjahr.

Stark zugenommen haben nach Angaben von Open Doors die Angriffe auf Kirchen und ihre Einrichtungen, von 2.110 auf 14.766. In Nicaragua und Kuba stehen kommunistische Diktaturen der Kirche zunehmend feindlich gegenüber. Die Regierung von Präsident Ortega ließ in Nicaragua Kirchen, Radiostationen sowie Universitäten schließen, Priester und Ordensschwestern des Landes verweisen. Bischof Rolando Álvarez – wie etlichen anderen – wurde die Staatsbürgerschaft entzogen. Er wurde wegen Landesverrats zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt.

Wie aussagekräftig sind die Zahlen des Indexes? Einige Menschenrechtsorganisationen kritisieren, Open Doors lege keine klaren Kriterien für den Begriff der Verfolgung zugrunde und verwende den Terminus „Christenverfolgung“ zu weitläufig.  Von der „Tagespost“ dazu um eine Stellungnahme gebeten, erklärte das Hilfswerk: „Eine Legaldefinition für den Begriff ,Verfolgung' existiert nicht. Open Doors folgt einem weiten Verständnis des Begriffs ,Christenverfolgung'. Danach herrscht Verfolgung nicht nur, wenn der Staat Einzelne oder ganze Gruppen von Christen wegen ihres Glaubens einsperrt, verletzt, foltert oder tötet, wie es in vielen Ländern Realität ist. Verfolgung herrscht auch dann, wenn Christen aufgrund ihres Glaubens beispielsweise ihre Arbeit oder ihre Lebensgrundlage verlieren, wenn Kinder aufgrund ihres Glaubens oder des Glaubens ihrer Eltern keine oder nur eine schlechte Schulbildung bekommen oder Christen aufgrund ihres Glaubens aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben werden“.

Bericht von "Kirche in Not" umfassender

Ebenso verhalte es sich, wenn es Christen nicht erlaubt sei, Kirchen zu bauen oder sich auch nur privat zu versammeln, wenn die Registrierung einer christlichen Gemeinde oder Organisation nur unter schikanösen Bedingungen oder auch gar nicht möglich sei.  Auch wenn es Andersgläubigen gesetzlich oder zumindest gesellschaftlich nicht erlaubt sei, zum Christentum zu konvertieren und sich zum christlichen Glauben zu bekennen – wenn Gläubige also deshalb mit schweren Konsequenzen für Familie, Besitz, Leib und Leben rechnen müssten – spricht Open Doors von Christenverfolgung.

Deutlich umfassender als der Weltverfolgungsindex von Open Doors ist der alle zwei Jahre veröffentlichte Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ des katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“. Die Dokumentation nimmt alle Länder und alle Religionen in den Blick. Das päpstliche Hilfswerk ist die einzige katholische Organisation, die einen derartigen Bericht regelmäßig herausbringt. 

Ähnlich verhält es sich mit dem „Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“, den die beiden großen christlichen Kirchen regelmäßig veröffentlichen. Auch die „Kommission Weltkirche“ der Bischofskonferenz gibt nahezu jährlich „Arbeitshilfen“ heraus, in denen die dramatische Situation der Christen in einem Schwerpunktland genau beschrieben wird. Auf Länder-Rankings wird bewusst verzichtet.

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