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Nur die NATO schützt vor Tyrannen

Die Empörung der baltischen Staaten über den chinesischen Botschafter in Paris ist berechtigt. Mit brutalen Diktatoren haben Estland, Lettland und Litauen ihre Erfahrungen.
Chinas Botschafter in Paris, Lu Shaye
Foto: Federico Pestellini via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Der chinesische Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, hat pauschal die Souveränität all jener Staaten in Frage gestellt, die einst zur Sowjetunion gehörten.

Diplomaten sollten diplomatisch sein. Insbesondere das Spitzenpersonal, also die Botschafter, haben die Sicht ihres Landes, nicht irgendwelche Privatmeinungen zu vertreten. Das gilt grundsätzlich, aber besonders für eine klar hierarchisch strukturierte Diktatur wie die Volksrepublik China, in der originelle Privatmeinungen zu politischen Fragen ja ganz grundsätzlich nicht toleriert werden.

Wenn also der chinesische Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, nicht bloß im Fall der Ukraine, sondern pauschal die Souveränität all jener Staaten in Frage stellt, die einst zur Sowjetunion gehörten, dann läuten mit Recht alle Alarmglocken. Insbesondere in den drei baltischen Republiken, die gegen ihren Willen jahrzehntelang zur kommunistischen Sowjetunion gehörten und in dieser Zeit brutal unterdrückt und russifiziert wurden.

Erinnerungen an den Hitler-Stalin-Pakt

Estland, Lettland und Litauen verloren 1939 ihre Unabhängigkeit, weil sich zwei Tyrannen – Hitler und Stalin – darauf verständigten, die Staaten Osteuropas unter sich aufzuteilen. Wer sollte ihre Unabhängigkeit heute schützen, wenn sich wiederum zwei Tyrannen – Putin und Xi Jinping – darauf verständigen, sie neuerlich unter Moskaus Kontrolle zu bringen?

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Die Antwort auf diese Frage lautet: die NATO. Ob es uns gefällt oder nicht, aber die NATO ist in einer chaotischer gewordenen internationalen Lage, in der Atommächte auf das Völkerrecht pfeifen, die einzige Kraft, die die Freiheit und Souveränität kleiner und schwacher Staaten schützen kann. Zwar gibt es auch in der EU (der die drei baltischen Staaten seit 2004 angehören) eine militärische Beistandspflicht, doch verfügt die EU nicht über die entsprechenden Mittel und Strategien.

Kiew und Tiflis haben ein Recht auf NATO-Beitritt

Jedenfalls noch nicht. Und solange dies so ist, kann nur die Mitgliedschaft in der NATO die Freiheit der kleinen Staaten und das zwischenstaatliche Recht wirksam schützen. Spätestens seit dem Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine wissen wir, dass Verträge und Versprechen kein ausreichender Schutz sind.

Darum muss die NATO nachholen, was sie zu lange versäumte: Das Verteidigungsbündnis muss auch Georgien und der Ukraine ein Recht auf Mitgliedschaft einräumen. Aus Rücksicht auf Moskau und die von Putin beschworenen angeblichen Sicherheitsinteressen Russlands hat die NATO darauf verzichtet – und so den Tyrannen im Kreml ermutigt, das Nachbarland zu überfallen. Dieser Fehler muss dringend korrigiert werden.

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Stephan Baier Josef Stalin Russische Regierung Wladimir Wladimirowitsch Putin Xi Jinping

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