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Migration als Waffe

Donald Tusks Polen schließt seine Grenze, doch diesmal bliebt der Aufschrei aus. Schmerzhaft musste das vereinte Europa lernen, dass Demokratien wehrhaft sein müssen.
Donald Tusk, polnische Ministerpräsident
Foto: IMAGO/Jakub Porzycki (www.imago-images.de) | Russland und Belarus schicken gezielt Migranten an die polnische Grenze, um Europa zu destabilisieren. Dem will der polnische Ministerpräsident Tusk nun einen Riegel vorschieben.

Verkehrte Welt in Polen: Der christdemokratische Regierungschef Donald Tusk, einst EU-Ratspräsident und Vorsitzender der christdemokratischen EVP-Parteienfamilie, will das Recht auf Asyl für irreguläre Migranten aussetzen, aber der aus der nationalistischen PiS-Partei stammende Präsident Andrzej Duda kritisiert das als „fatalen Fehler“. Verkehrte Welt auch in der EU: Der EU-Gipfel, der Polen jahrelang wegen seiner restriktiven Migrationspolitik isolierte und kritisierte, stellt sich voll hinter Tusks neue harte Linie und ruft laut nach „neuen Wegen zur Verhinderung und Bekämpfung von irregulärer Migration“.

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Seit 2015 ist nicht nur viel Zeit vergangen: Die Politiker in Europa mussten lernen, dass Massenmigration kein kurzfristiges Phänomen und nicht durch ein wenig Umverteilung regulierbar ist. Sie mussten beobachten, dass Migrationsdruck auch Druckwellen in den europäischen Gesellschaften auslöst – und tektonische Verschiebungen in der Parteienlandschaft vieler EU-Mitgliedstaaten. Und schließlich mussten sie schmerzhaft erfahren, dass mitunter Migranten und ihre Nöte gezielt missbraucht werden, um die europäischen Gesellschaften zu destabilisieren.

Keine Festungsmentalität in Polen

Genau darum geht es derzeit in Polen: Nachdem sich das Land, damals noch unter PiS-Führung, weigerte, Massenimmigration aus dem arabischen Raum zuzulassen und dem Umverteilungsdruck aus Berlin und Brüssel Widerstand leistete, nahm es ab 2022 großzügiger als die anderen EU-Staaten Flüchtlinge aus der benachbarten Ukraine auf. Trotz aller historischer Rivalität zwischen den verwandten Nachbarn, öffneten die Polen ihre Häuser und ihre Sozialsysteme für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Nationalistische Abschottungspolitik oder Festungsmentalität darf den Polen seither gewiss niemand vorwerfen.

Bei der aktuellen Debatte geht es um eine völlig andere Realität: Wladimir Putin und sein Marionettenregime in Belarus versuchen alles, um Europa zu destabilisieren. Ein Instrument dafür ist der Migrationsdruck: Darum chauffierten die russischen Behörden busseweise Migranten an die finnische Grenze, bis das Neo-NATO-Mitglied Finnland seine Grenzen dicht machte. Ebenso schleust Belarus nun Migranten in großer Zahl an die polnische Grenze. Donald Tusk hat in polnischen Medien geschrieben (und beim EU-Gipfel berichtet), „dass in Syrien und im Iran Gruppen organisiert werden, die nicht nur für den illegalen Grenzübertritt ausgebildet werden, sondern auch für ein Verhalten, das wir in der NATO als gefährlich bezeichnen müssen“. Die Rekrutierung von Personen aus Gefängnissen und mit Terrorerfahrung erfolge über russische und belarussische diplomatische Vertretungen in mehreren Ländern.

Dieser Sicht schloss sich der EU-Gipfel in Brüssel nun an, indem er Polen seine Solidarität aussprach und betonte: „Weder Russland und Belarus noch anderen Ländern darf es gestattet werden, unsere Werte, einschließlich des Rechts auf Asyl, zu missbrauchen und unsere Demokratien zu untergraben.“ Kein Zweifel: Das Bewusstsein dafür, dass Demokratien wehrhaft sein müssen, ist erwacht.

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Stephan Baier Andrzej Duda CDU Donald Tusk Migranten Wladimir Wladimirowitsch Putin

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