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Merz spielt für Trump nicht die erste Geige

Trump umschmeichelt, ohne die eigene Position zu verleugnen: Der Bundeskanzler kann erhobenen Hauptes aus Washington abreisen. Doch das Treffen hält auch eine ernüchternde Erkenntnis bereit.
Friedrich Merz besucht Donald Trump im Weißen Haus
Foto: IMAGO/Chris Kleponis - Pool via CNP (www.imago-images.de) | Persönlich lief es gut zwischen Friedrich Merz und Donald Trump. Doch wie schnell Trump seine Gunst wieder entziehen kann – und wie schmutzig es dann werden kann – konnte man am Donnerstag am Beispiel Elon Musks ...

Die Schlüsselszene spielte sich ab, als Friedrich Merz von einem der mitgereisten deutschen Journalisten gefragt wurde, was er von der Analogie des US-Präsidenten halte, Russland und die Ukraine seien wie streitende Kinder, die man eine Weile kämpfen lassen müssen, ehe man sie voneinander trennen könne. Dem Bundeskanzler bot sich nun eine der wenigen Gelegenheiten, während des Besuchs bei Donald Trump im Weißen Haus am Donnerstag seine Position zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine deutlich zu machen. Doch lauerte gleichzeitig die Gefahr, mit einer Zurückweisung des zweifelhaften Vergleichs den US-Präsidenten zu verprellen, der bislang voll des Lobes für seinen deutschen Gast gewesen war.

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Merz meisterte die Situation souverän: Einerseits betonte er das Verbindende, nicht das Trennende: Beide, er und Trump, wollten einen schnellen Frieden in der Ukraine, so der Kanzler. Andererseits nannte er den US-Präsidenten die „Schlüsselfigur“ in den Bemühungen um ein Ende des blutigen Konflikts. Kurz darauf, als Trump noch einmal auf die schrecklichen Bilder von Toten und Verstümmelten hinwies, stellte Merz klar, dass die russische Seite die Verantwortung dafür trage, die Ukraine hingegen keine zivilen Ziele angreife. Trump widersprach zumindest nicht ausdrücklich – ein kleiner, jedoch wichtiger Erfolg für Merz.

Und dann klopft Trump dem Kanzler scherzhaft aufs Bein

Für den Bundeskanzler stand bei dem lang herbeigesehnten Treffen im „Oval Office“ wesentlich mehr auf dem Spiel als für den Republikaner: Er wollte Trump zu einem härteren Vorgehen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin bewegen, die Fragezeichen hinter dem Einsatz der Amerikaner für das transatlantische Bündnis ausräumen – und noch dazu einen ähnlichen Eklat vermeiden, wie ihn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch im Februar erlebt hatte.

Ob Trump den Deutschen bei den substanziellen politischen Fragen nach den Gesprächen mit Merz entgegenkommen wird, bleibt weiter fraglich. Zufrieden sein kann Merz dennoch: Denn auf der zwischenmenschlichen Ebene hat er durchaus reüssiert. Die Gesprächsatmosphäre wirkte von Anfang an ungezwungen, beinahe herzlich. Schon nach wenigen Minuten dürfte allen Anwesenden klar gewesen sein: Zum Bruch vor laufenden Kameras wird es ganz gewiss nicht kommen. Trump zollte Merz Respekt, witzelte hier und da und klopfte dem Kanzler sogar kumpelhaft aufs Bein, als er scherzte, man müsse aufpassen, dass Deutschland durch seine Aufrüstungsbemühungen nicht sogar zu stark werde.

Auch Merz verteilte Komplimente, ohne jedoch unterwürfig zu wirken oder von seinen politischen Kernpositionen abzurücken. In die Karten spielte dem Bundeskanzler die Tatsache, dass Trump offenbar noch immer einen gewissen Groll gegen Angela Merkel hegt, ließ er doch mehrmals erkennen, dass er die Altkanzlerin für einige der von ihm in Deutschland identifizierten Fehlentwicklungen verantwortlich sehe. Das schien den beiden Regierungschefs durchaus eine gemeinsame Basis zu bieten. Schließlich steht auch Merz mit seinem Kurs in zahlreichen Aspekten in Opposition zu Merkel. In einem Interview mit dem rechten Sender „Fox News“, das im Anschluss an das Treffen im „Oval Office“ stattfand, platzierte Merz sogar einige kaum versteckte Spitzen gegen die Altkanzlerin – ohne sie beim Namen zu nennen. So verwies er auf die deutsche Ablehnung eines NATO-Beitritts der Ukraine im Jahr 2008 und betonte, stets ein strikter Gegner der umstrittenen Pipeline „Nord Stream 2“ gewesen zu sein.

Bruch zwischen Trump und Musk überschattet das Treffen

Gleichzeitig hinterlässt Treffen im Weißen Haus jedoch auch den Eindruck: Auf Friedrich Merz lag gar nicht das Hauptaugenmerk Trumps. Immer wieder verlor sich der US-Präsident in ausschweifenden Monologen über die amerikanische Innenpolitik, stolz bilanzierte er die eigenen bisherigen Leistungen. Auch die anwesenden US-Journalisten schienen sich weniger für den Gast aus Deutschland zu interessieren. Merz musste da seine seltenen Chancen, das Wort zu ergreifen, schon gut nutzen. Und er tat eben, was er tun konnte, auch wenn dies oft darin bestand, abzuwarten und Trumps Erzählungen kommentarlos anzuhören. 

Überschattet wurde der Besuch schließlich vom offenen Bruch zwischen Donald Trump und Elon Musk, den Merz beinahe in Echtzeit an der Seite des US-Präsidenten mitverfolgen konnte. Die auf Nachfrage von Journalisten zunächst noch vorsichtig verpackte Kritik an Musk mündete schließlich in einen regelrechten Schlagabtausch auf der Plattform „X“. Das Tischtuch scheint endgültig zerschnitten: Die über Monate unzertrennlichen Alphamänner überzogen sich gegenseitig mit heftigen Vorwürfen, Musk droht nun sogar damit, eine eigene Partei zu gründen. Das dürfte nicht die letzte Volte im Verhältnis zwischen Trump und dem Tesla-Chef gewesen sein. Für Freitagnachmittag hat das Weiße Haus offenbar ein Telefonat zur Aussprache mit Musk angesetzt.

Ein Aspekt sei an dieser Stelle noch erwähnt: An einem Punkt nannte Trump den Bundeskanzler sogar seinen „Freund“. Dies war natürlich in gewohnter Trump-Manier maßlos übertrieben, beschränkte sich der bisherige Kontakt mit Merz lediglich auf einige Telefonate. Doch lag in dieser Wortwahl nicht auch eine gewisse Taktik? Schließlich muss man Freunde nicht immer umschmeicheln, ihnen nicht immer jeden Wunsch erfüllen, das gegenseitige Wohlwollen bleibt dennoch bestehen. Nicht auszuschließen, dass Trump ganz genau wusste: Friedrich Merz kann es zuhause schon als Erfolg verkaufen, wenn der US-Präsident ihn mit Wertschätzung und Respekt behandelt – politisch muss er ihm dann gar nicht mehr so sehr entgegenkommen. 

Doch selbst die Freundschaftsbekundungen sollte man mit Vorsicht genießen. Wie schnell Trump seine Gunst wieder entziehen kann – und wie schmutzig es dann werden kann – konnte man am Donnerstag am Beispiel Elon Musks erkennen.

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