Ein Nein, und mag es auch noch so gut begründet und argumentiert sein, nimmt Donald Trump stets persönlich. Diese Erfahrung hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits zur Genüge gemacht. Also sagt er statt „Nein“ neuerdings: „Ja, aber… – und vielen Dank!“ Auch exzessives Lob für den US-Präsidenten und seine weltweit bewunderte Führungsstärke kommt in Washington gut an. Superlative sind in diesem Kontext ebenso erwünscht wie willkommen.
In diesem Stil findet nicht nur das Ringen um einen Friedensplan statt, dessen erster US-Entwurf in Moskau die Krimsektkorken zum Knallen brachte. Und so läuft das auch mit den von US-Präsident Trump angemahnten Wahlen in der Ukraine. Zur Erinnerung: Donald Trump hatte bereits im Februar auf seinem eigenen Netzwerk „Truth Social“ geschrieben: „Als Diktator ohne Waffen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben.“ Seither lässt Trump immer wieder einmal durchblicken, dass Selenskyj gar nicht mehr demokratisch legitimiert sei und endlich Wahlen abhalten müsse.
Russische Narrative
Das ist Kremlpropaganda pur: Wladimir Putin, der seit einem Vierteljahrhundert in der Russischen Föderation herrscht und sich deren Verfassung ebenso wie Wahlkämpfe, Gegenkandidaten und Wahlen nach eigenem Gusto gestaltet, behauptet seit Langem, dass Selenskyj längst ein illegitimer Präsident der Ukraine sei; der habe deshalb „nicht das Recht, irgendwas zu unterschreiben“. Putins Narrativ von der undemokratischen Ukraine, den längst fälligen Wahlen und dem illegitimen Präsidenten fiel im Weißen Haus in Washington auf fruchtbaren Boden. Also lenkte Selenskyj am Mittwoch ein und erklärte sich zu raschen Wahlen bereit.
Tatsache ist, dass die Ukraine – im Gegensatz zur Russischen Föderation – ein demokratischer Staat mit echten Wahlen, echter Opposition und echter Gewaltenteilung ist. Tatsache ist weiter, dass der ukrainische Präsident (im Gegensatz zu seinem russischen Kollegen) tatsächlich an die Verfassung seines Landes gebunden ist. Und die sieht in Artikel 83 vor, dass Parlamentswahlen erst nach Aufhebung des Kriegsrechts durchgeführt werden können. Zudem verbietet das Gesetz über das Kriegsrecht in Artikel 19 die Abhaltung von Präsidentschafts-, Parlaments- oder Kommunalwahlen. Und, nochmals zur Erinnerung: Kriegsrecht herrscht in der Ukraine, weil Putins Russland im Februar 2022 einmarschiert ist und seither täglich wie nächtlich ukrainische Städte mit Raketen und Drohnen attackiert.
Ohne Waffenruhe keine Sicherheit
Die Abhaltung von Wahlen in der Ukraine ist aber nicht nur verfassungswidrig, sondern auch praktisch undurchführbar: Millionen Ukrainer sind vor den russischen Eroberern ins Ausland geflohen, weitere Millionen sind aus den besetzten Regionen und den Kampfgebieten in den Westen des Landes geflohen. Wie und wo sollen sie kandidieren oder wählen? Und wie steht es um das aktive und passive Wahlrecht der Soldaten im Schützengraben oder in russischer Kriegsgefangenschaft? Wie kommen die ukrainischen Staatsbürger in den russisch besetzten Gebieten zu ihrem Wahlrecht? Wie lassen sich Wahlkämpfe organisieren, Wahlen durchführen und international beobachten, wenn Städte und Dörfer unter Beschuss sind, wenn die Stromversorgung zusammenbricht und die Mehrheit der Bürger mit dem täglichen Überleben beschäftigt ist?
Selenskyj weiß, dass Trumps Druck auf ukrainische Neuwahlen von Moskau inspiriert, objektiv unsinnig und praktisch unrealistisch ist. Warum stimmt er dennoch zu? Weil Trump auf ein „Nein“ eben allergisch reagiert. Selenskyj probiert es darum mit einem „Ja, aber…“: Er sei zu Wahlen bereit und klammere sich nicht an sein Amt, aber die USA und Europa müssten für die Sicherheit während der Wahlen sorgen. Damit ist der sprichwörtliche „Schwarze Peter“ wieder bei Wladimir Putin. Der nämlich lehnt eine Feuerpause oder Waffenruhe kategorisch ab. Damit aber ist auch eine internationale Wahlbeobachtung nicht sicher, sondern undurchführbar.
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