Sollte Friedrich Merz noch einen Rat benötigen, wie er am Donnerstag im Weißen Haus gegenüber Donald Trump auftreten muss, damit das erste Treffen zwischen dem Bundeskanzler und dem US-Präsidenten ein Erfolg wird, hätte Lindsey Graham ein paar Vorschläge zur Hand: Merz sollte sagen, dass Trump Recht habe „mit den fünf Prozent für Verteidigung“, erklärte der altgediente republikanische US-Senator jüngst im Gespräch mit der „FAZ“.
Und in Bezug auf die stockenden Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine: „Er sollte Trump versichern: Genau wie Sie wollen wir schnell eine diplomatische Beendigung des Krieges.“ Merz müsse Trump darlegen, zu welchem Einsatz er bereit wäre. „Es gibt keinen schmerzfreien Weg, Russland zu zwingen, sein Verhalten zu ändern. So ist das mit der Freiheit.“
Um eine klare Meinung nicht verlegen
Es sind bemerkenswerte Sätze, die Graham in dem Interview sagt. Sie sind auch deshalb so interessant, da sie nicht zum verbreiteten Denken in politischen Schubladen passen. An seiner Positionierung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine lässt der 69-Jährige einerseits keinen Zweifel: „Wer Russland hilft, ist böse. Wer der Ukraine hilft, ist gut.“ Derlei Worte hört man in letzter Zeit selten aus dem Mund eines hochrangigen republikanischen Politikers. Gleichzeitig sagt Graham aber auch, es störe ihn „nicht im Geringsten, wenn Trump sagt, dass er ein gutes Verhältnis zu Putin hat“. Auch mit Trumps harschem Auftreten gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Oval Office habe er kein Problem.
Ganz generell ist der Politiker aus South Carolina um eine klare Meinung nicht verlegen. Die AfD beispielsweise sei „ein europäisches Symptom“ und Trump „eine Reaktion auf Regierungen, die die Souveränität auszuhöhlen scheinen und die eine Lage geschaffen haben, die zu mehr Kriminalität, mehr Gewalt, irrationaler Einwanderung und zu Wokismus führte. Die Menschen haben genug davon.“ Der anschließende, nicht jugendfreie Teil von Grahams Äußerung sei an dieser Stelle erspart.
In den USA wurde Graham lange als politisches Leichtgewicht belächelt, nicht zuletzt von Trump selbst. Eine Präsidentschaftskandidatur des Südstaaten-Senators scheiterte 2015 kläglich, und Grahams anfänglich harsche Kritik an Trump konnte den kometenhaften Aufstieg des einstigen Immobilienunternehmers bis in den Präsidentensessel bekanntermaßen nicht verhindern. Dass Graham während Trumps erster Amtszeit zunehmend auf Schmusekurs zum Präsidenten ging, kostete ihn schließlich unter Linksliberalen seinen Ruf als einer der wenigen „aufrechten“ Republikaner, die Trump die Stirn boten.
Schubladendenken greift bei Graham zu kurz
Doch auch hier greift das Schubladendenken wieder zu kurz: Denn Graham gilt nicht nur als enger Vertrauter Trumps, dessen Meinung sich der amtierende Präsident tatsächlich zu Herzen nimmt. Er genießt auch das seltene Privileg, Trump widersprechen zu können – oder Ratschläge zu erteilen, die nicht intuitiv der Natur des Präsidenten entsprechen. So riet er Trump etwa zu mehr Distanz zu radikalen Unterstützern und Rassisten wie den „Proud Boys“ und wiederholte nie Trumps Lieblingsnarrativ, ihm sei der Wahlsieg 2020 gestohlen worden. Trumps Wohlwollen schmälerte das dennoch nicht.
Unter diesen Umständen sollte man Grahams jüngstem Projekt besondere Aufmerksamkeit schenken: Der Senator arbeitet im Kongress gerade an einem parteiübergreifenden Gesetzesvorschlag, der harte Sanktionen gegen Russland vorsieht und Länder, die russisches Öl und Gas kaufen, mit exorbitanten Zöllen belegen würde. Am Montag traf der 69-Jährige in Berlin auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den deutschen Außenminister Johann Wadephul, um über das weitere Vorgehen gegen Russland zu sprechen.
Im US-Senat verfügt Graham bereits über eine vetosichere Mehrheit. Die größere Hürde dürfte es sein, auch Präsident Trump für den harten Kurs gegenüber Moskau zu gewinnen. Doch der Zeitpunkt könnte günstiger kaum sein: Denn selbst Trump, der im Umgang mit Putin lange eher auf Zuckerbrot statt Peitsche setzte, scheint allmählich die Geduld mit dem Kreml-Herrscher verloren zu haben. Ehe er die Lust daran verliert, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf den Pfad eines so dringend benötigten gerechten Friedens zu führen, könnte das Vorpreschen des Parteifreunds und Haudegens Graham gerade recht kommen.
Merz sollte auf Graham hören
Der legendäre US-Journalist Bob Woodward, der die Watergate-Affäre aufdeckte, schildert in seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch „War“ sehr detailliert und hintergründig die Politik der Amerikaner angesichts der multiplen internationalen Krisen und Konflikte der letzten vier Jahre. Ob in guten oder schlechten Phasen: Lindsey Graham, so beschreibt es Woodward, sei stets einer der ersten gewesen, die Trump angerufen habe, um sich zu beratschlagen. Das können nicht viele von sich behaupten, die Trump in der Vergangenheit nicht ausnahmslos nach dem Mund geredet haben.
Mit anderen Worten: Graham weiß, wie man mit Trump umgehen muss, wenn man ihn nicht verprellen will, ohne dabei vollends seine Seele zu verkaufen. Vielleicht wäre Friedrich Merz gar nicht mal so schlecht beraten, wenn er auf Grahams Worte hören würde. Übrigens: Merz hätte Graham im Jahr 2022 im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung von „The Republic" treffen sollen. Nach heftigen Protesten gegen das Event aufgrund der Teilnahme anderer Redner, die als „rechts" gebrandmarkt worden waren, sagte Merz seine Teilnahme ab. Er traf Graham dann trotzdem, allerdings nicht im Rahmen der Veranstaltung. Heute wäre man womöglich dankbar dafür, wenn Graham und Merz ihren Kontakt damals auch öffentlich weiter vertieft hätten.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.