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Europa weiß, dass es in Gefahr ist

Wladimir Putin hat an einem Wiedersehen mit Donald Trump derzeit kein Interesse. Dessen Zugeständnisse und Alleingänge sind ihm aber willkommen.
Kreml-Herrscher Wladimir Putin
Foto: IMAGO/Alexander Kazakov (www.imago-images.de) | Spätestens seit dem russischen Drohnenangriff auf Polen und den russischen Luftraumverletzungen im Baltikum ist in der EU weithin Konsens, dass Putin Europa testet.

Der russische Präsident spielt auf Zeit. Während US-Präsident Donald Trump trotz des desaströsen Alaska-Treffens auf eine zweite Begegnung mit Wladimir Putin – diesmal in Budapest – drängte, ließ Putin die US-Friedensbemühungen neuerlich ins Leere laufen. Trumps Vorschlag, die Kämpfe an der aktuellen Frontlinie einzustellen, wischte Putins Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag vom Tisch: „Wenn man einfach so aufhört, bedeutet das, die Ursachen dieses Konflikts zu vergessen.“ Lawrows Vize, Sergej Rjabkow, verwies sogar das von Washington angekündigte Treffen der beiden Außenminister ins Reich der Ideen.

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An einem baldigen Wiedersehen mit Trump hat Putin kein Interesse. Und das aus gutem Grund, denn er hat bereits im jüngsten Telefonat mit Trump erreicht, was er erreichen wollte: Amerika liefert vorerst keine Tomahawk-Marschflugkörper an die Ukraine, stattdessen rüffelte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und erklärte ihm und der Weltöffentlichkeit, dass die Ukraine weite Teile der russisch besetzten Gebiete abtreten müsse. Damit hat Trump erneut bewiesen, dass er mit Putin ganz ohne die Ukrainer über die Ukraine zu verhandeln gewillt ist – auch ohne die EU und ihre 27 Mitgliedstaaten, die sich finanziell und politisch am meisten für das Opfer der russischen Aggression engagieren.

Aus Trumps Sicht ist die Ukraine nur Verhandlungsmasse

Aus Trumps Sicht ist die Ukraine nur Verhandlungsmasse, und die Europäer sind auf die Zuschauertribüne verbannt. Putin hat aber noch mehr erreicht, denn das EU- und NATO-Mitglied Ungarn garantierte ihm freies Geleit, obwohl es an den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gebunden ist, also den gesuchten Kriegsverbrecher verhaften und nach Den Haag ausliefern müsste. Ebenso erteilte das EU- und NATO-Mitglied Rumänien vorsorglich eine Überfluggenehmigung für Putins Anreise nach Budapest. Damit ist die vom Kreml seit Jahren betriebene Spaltung der EU offengelegt. Während der Westen so seine Schwäche, Inkonsequenz und Zersplitterung zeigt, setzt Putin die Zerstörung der Ukraine unvermindert fort.

Im US-Fernsehen wies Selenskyj darauf hin, dass es dem Diktator des flächenmäßig größten Landes der Welt nicht darum gehe, noch ein paar weitere Territorien einzugliedern. Deshalb ist Trumps Druck auf Kiew, auf den Donbass zu verzichten, dem Kreml zwar willkommen, verfehlt aber die Natur dieses Kriegs. Das dokumentiert Lawrows Anspielung auf die „Ursachen des Konflikts“ ebenso wie das Statement von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, Russlands Position habe sich nicht geändert. In der Tat: Putin hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er eine souveräne, unabhängige, selbstbestimmte Ukraine grundsätzlich ablehnt. Und dank Trumps Taktik gibt es für ihn auch keinen Grund, von seinen Maximalzielen abzurücken.

In der EU herrscht Konsens, dass Putin Europa testet

In der Europäischen Union wächst unterdessen die Überzeugung, dass Russland eine Bedrohung für ganz Europa ist. Der Historiker und Osteuropa-Experte Karl Schlögel meinte in diesem Sinn vor wenigen Tagen bei der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, „dass dem Aggressor entgegenzukommen nur dessen Appetit auf noch mehr steigert und dass Appeasement nicht zum Frieden führt, sondern den Weg in den Krieg ebnet“.

Spätestens seit dem russischen Drohnenangriff auf Polen und den russischen Luftraumverletzungen im Baltikum ist in der EU weithin Konsens, dass Putin Europa testet. „Die jüngsten Bedrohungen haben gezeigt, dass Europa in Gefahr ist“, meinte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor wenigen Tagen. Nun müsse Europa mit Geschlossenheit und Solidarität reagieren – und „jeden Quadratzentimeter unseres Gebiets schützen“. Dazu wurde ein „Fahrplan für die Verteidigungsbereitschaft 2030“ erarbeitet, der etwa die Kapazitäten in der Drohnenabwehr massiv erhöht. Die EU will nicht nur zu Land, in der Luft und auf See verteidigungsbereit werden, sondern auch im Cyberraum und im Weltraum.

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