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Keine neue Quadratur des Kreises

Warum es gut ist, dass keiner der Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe eine Mehrheit im Parlament fand.
Abstimmung zur Suizidassistenz
Foto: IMAGO/Rolf Zoellner (www.imago-images.de) | Die Abgeordneten haben kein Gesetz zur Suizidassistenz verabschiedet. Dafür fand sich eine deutliche Mehrheit für eine stärkere Suizidprävention.

Der Deutsche Bundestag hat sich heute mehrheitlich der Zumutung verweigert, das Unregelbare regeln zu sollen. Und das ist gut so. Denn eine wie auch immer gesetzlich geregelte Suizidhilfe würde, unabhängig von der Höhe der dann zu nehmenden Hürden, unwillkürlich zu einer gesellschaftlichen Gewöhnung an die Selbsttötung führen. Auch wenn der Staat das Leben als Eigentum des Grundrechtsträgers begreift und daher meint, diesem die Freiheit zubilligen zu müssen, seinem Leben eigenhändig ein Ende zu setzen, so kann er doch die Augen nicht davor verschließen, dass diese Perspektive nicht einfach übertragbar ist.

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Es ist ein Irrtum zu meinen, Suizidhelfer könnten lediglich das Werturteil respektieren, das Suizidwillige mit dem Suizid über ihr Leben fällten. Wer jemandem dabei hilft, sich das Leben zu nehmen, muss sich dessen Urteil zu eigen machen. Ob bewusst oder unbewusst muss er der Aussage, dieses Leben sei nicht mehr lebenswert, zustimmen. Damit fällt er jedoch, anders als der Suizidwillige, ob er will oder nicht zugleich ein Urteil über ein fremdes Leben. Und ein solches Urteil steht niemanden zu. Niemand hat das Recht, wie es der verstorbene Philosoph Robert Spaemann, einmal so treffend wie anschaulich formulierte, zu einem anderen zu sagen: „Du sollst nicht sein.“

Christen haben es einfacher

Eine Gesellschaft, die Verfahren entwickelt, in denen Menschen sich dem Unwerturteil, das jemand über sein Leben fällt, nach wie vielen Versuchen auch immer, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, am Ende doch anschließen, hört auf eine humane Gesellschaft zu sein. Mit Paternalismus hat das – anders als auch heute wieder in der Debatte des Bundestages behauptet – nicht das Geringste zu tun. Dafür aber viel mit Respekt. Denn das Minimum, das Menschen einander schulden, besteht darin, dass sie sich eines Urteils über Wert oder Unwert eines fremden Lebens enthalten.

Christen haben es da, zugegeben, bedeutend einfacher. Sie betrachten sich nicht als „Eigentümer“, sondern lediglich als „Verwalter“ ihres Lebens. Auch in einem Staat, der sich weltanschaulich neutral wähnt, darf durchaus vermehrt darüber nachgedacht werden, ob diese Sicht nicht die realistische ist. Denn wodurch könnte der Mensch sein Leben erwerben? Welcher Akt wäre geeignet, um ihn zum Eigentümer seines Lebens zu machen?

Vermehrte Suizidprävention

Auch der sozialste Staat, die empathischste Gesellschaft und die beste medizinische Versorgung können nicht verhindern, dass es auch dann Menschen geben wird, die sich das Leben nehmen werden wollen. Einige werden sich dabei der Hilfe Dritter bedienen wollen und nicht alle werden diese Hilfe verweigern. Es ist besser, dies hinzunehmen und – etwa durch vermehrte Suizidprävention – alles dafür zu tun, dass ihre Zahl so klein wie irgendwie möglich bleibt, als Verfahren zu ersinnen, die den Suizid zu einer gesellschaftlich akzeptierten Varianten machten, aus dem Leben zu scheiden.

Lesen Sie einen umfassenden Bericht zur Debatte und Abstimmung zu den Gesetzentwürfen für eine Neuregelung des assistierten Suizid in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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Stefan Rehder Christen Deutscher Bundestag Lebensschutz Robert Spaemann Stefan Rehder Suizidhilfe

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