Die Drohkulisse, die der russische Präsident Wladimir Putin gegenüber der Ukraine entfaltet, ist nicht nur ein großer weltpolitischer Stresstest für US-Präsident Joe Biden, sondern auch dieerste außenpolitische Bewährungsprobe für die neue deutsche Bundesregierung. Sie täte gut daran, dem Kreml so schnell, so klar und so unmissverständlich wie möglich zu sagen: Wenn Moskau die fortwährende Destabilisierung der Ukraine nicht augenblicklich einstellt, dann war’s das mit Nord Stream 2! Putin will die höchst umstrittene Nordsee-Pipeline, aber dann muss er sich auch als seriöser Partner erweisen.
Fortgesetzte Provokationen
Wer bisher meinte, niemand wolle oder provoziere einen neuen Krieg in Europa, ist eingeladen, sich den Sand aus den Augen zu reiben: 2008 warf sich Putin beutehungrig in den Krieg gegen Georgien, und bis heute stehen russische Soldaten in zwei georgischen Provinzen. 2014 annektierte Putin völkerrechtswidrig die Krim und provozierte einen separatistischen Krieg in der Ostukraine, der bis heute nicht beendet ist. Und nein, Moskau geht es nicht um Donezk und Luhansk, sondern final um Kiew. Putin hat immer wieder offen gesagt, dass er den Zerfall der Sowjetunion als größte Tragödie des 20. Jahrhunderts betrachtet. Darum tut er alles, um die Souveränität ehemalige Sowjetrepubliken im Rahmen seiner jeweils aktuellen Möglichkeiten einzuengen und zu verletzen.
Sicherheit durch Solidarität
Diese Möglichkeiten können nur im europäischen Konzert verhindert werden. Die Unabhängigkeit der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sicherte allein deren Beitritt zu NATO und EU. Die Ukraine ist gerade deshalb fragiler, während der russische Appetit in diesem Fall noch viel größer ist. Nur eine geschlossene Solidarität der Europäischen Union und der USA mit der souveränen Ukraine kann deren Souveränität und Freiheit sichern – und damit einen neuen Krieg auf europäischem Boden verhindern. Allerhöchste Zeit, dass die Europäer, und auch der neue deutsche Kanzler, hier endlich in die Gänge kommen.
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