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Idaho erlässt striktes Abtreibungsgesetz

Ein womöglich wegweisendes Gesetz: In Idaho können Privatpersonen bald Abtreibungen anzeigen. Ähnlich geht bereits Texas vor. Und auch die Gerichte könnten Lebensschützer auf ihrer Seite haben.
Supreme Court in Washington
Foto: Sue Dorfman via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Auch wenn die jüngst auf den Weg gebrachten oder bereits in Kraft getretenen strikten Abtreibungsgesetze zunächst juristisch bestehen sollten: Langfristige Klarheit über den Kurs des Landes in der Abtreibungsfrage ...

Man könnte es als Kopie des viel diskutierten strikten texanischen Abtreibungsgesetzes bezeichnen: Anfang der Woche hat das Parlament im US-Bundesstaat Idaho ein Gesetz verabschiedet, das Abtreibungen etwa nach der sechsten Schwangerschaftswoche verbietet. Der Gesetzestext, der es hauptsächlich in die Hände von Privatpersonen legt, zu kontrollieren, ob die Frist eingehalten wird, fand im von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus am Montag eine Mehrheit von 51 zu 14 Stimmen. Der Senat des Staates im Westen der USA hatte zuvor bereits zugestimmt.

20.000 Dollar als Belohnung

Dass der republikanische Gouverneur Brad Little das Gesetz unterzeichnet, gilt als Formsache. Idaho würde sich damit in die Reihe von Bundesstaaten stellen, die den Zugang zu Abtreibungen wesentlich stärker einschränken, als es das bislang noch bundesweit gültige Grundsatzurteil „Roe vs. Wade“ vorsieht. Jene wegweisende, äußerst umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, des „Supreme Court“, gilt seit 1973. Demnach sind Abtreibungen vor der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs von Strafen ausgenommen – also in etwa bis zur 23. Schwangerschaftswoche. Aber auch danach sind Abtreibungen mit einigen Einschränkungen weiterhin möglich.

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Wenn konservativ regierte Bundesstaaten ihre Abtreibungsgesetzgebung verschärfen, sind Klagen von Abtreibungsbefürwortern natürlich vorprogrammiert. Damit das Gesetz juristisch bestehen kann, sind die Initiatoren in einigen Punkten von ihrem texanischen Vorbild abgewichen.

Das in Idaho erlassene Gesetz, das wie so viele ähnliche Verordnungen auch als „Herzschlaggesetz“ bezeichnet wird, ermöglicht es den Angehörigen der Eltern des abgetriebenen Kindes, den Abtreibungsdienstleister zu verklagen, wenn der Eingriff nach der sechsten Schwangerschaftswoche vorgenommen wird. Im Falle einer erfolgreich zur Anzeige gebrachten Abtreibung zahlt der Staat mindestens 20.000 US-Dollar und übernimmt auch die Gerichtskosten. Klagen sollen auch noch bis zu vier Jahre nach der Abtreibung möglich sein.

Ausnahmen im Fall von Vergewaltigung und Inzest

Anders als in Texas will Idaho Ausnahmen im Falle einer Abtreibung nach Vergewaltigungen oder Inzest gewähren. Die betroffenen Frauen müssen dies jedoch polizeilich anzeigen und einen Nachweis dem Abtreibungsdienstleister vorlegen. Zudem sind in Texas „nur“ Belohnungen von 10.000 US-Dollar vorgesehen. Dafür können aber nicht nur Familienangehörige Klagen einreichen, sondern im Grunde genommen jeder Bürger. Und nicht nur die Abtreibungsdienstleister können unter dem Gesetz verklagt werden, sondern alle Personen, die in irgendeiner Weise dazu beigetragen haben, dass eine Abtreibung durchgeführt werden konnte.

Kritik am texanischen Gesetz, seit September in Kraft, gab es nicht nur von Abtreibungsbefürwortern. Auch einige Lebensschützer äußerten sich skeptisch zu der Art und Weise, wie das Gesetz funktioniere. Abtreibungsmöglichkeiten einzuschränken sei zwar begrüßenswert. Dieses Ziel dürfe jedoch nicht erreicht werden, indem man eine Kultur der Bespitzelung und Denunziation fördere, wie man sie sonst eher aus autokratischen Ländern kenne. Mehrere Versuche, das Gesetz juristisch zu kippen, scheiterten jedoch bislang. Zweimal befasste sich sogar der „Supreme Court“ damit – erst am 11. März urteilte das höchste US-Gericht schließlich, dass man nicht an dem Erlass rütteln könne, da er ausdrücklich Privatpersonen mit der Umsetzung betraue, nicht staatliche Stellen. 

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US-Lebensschützer sehen sich von diesen Entwicklungen ganz offensichtlich bestärkt. Denn Idaho ist nicht der einzige Bundesstaat, der jüngst in die texanischen Fußstapfen trat: So erließen zahlreiche weitere Staaten restriktive Abtreibungsgesetze, die sich mal mehr, mal weniger an der Vorlage des Südstaates orientieren. Zu ihnen zählen beispielsweise West Virginia, Oklahoma, Florida oder Arizona.

"Das Gesetz ist nicht clever, es ist absurd"

In keinem Staat sind aber die Parallelen zur texanischen Vorlage so offensichtlich wie in Idaho. „Die clevere, auf Privatpersonen ausgerichtete Vorgehensweise hat ihr Gutes getan“, zitierte die „New York Times“ den republikanischen Abgeordneten Steven Harris, der das Gesetz in Idaho mit auf den Weg brachte. Dieses habe medikamentöse Abtreibungen sowie solche, die ärztliche Eingriffe erfordern, quasi komplett gestoppt. Kritik hagelte es dagegen von den Demokraten: Deren Abgeordnete Lauren Necochea stieß sich insbesondere an einem Aspekt: Sollte eine Frau nach einer Vergewaltigung ihr Kind abtreiben lassen, könnten unter dem neuen Gesetz die Verwandten des Täters die Abtreibung zur Anzeige bringen. Ihr Fazit: „Das Gesetz ist nicht clever, es ist absurd.“

Auch wenn die jüngst auf den Weg gebrachten oder bereits in Kraft getretenen strikten Abtreibungsgesetze zunächst juristisch bestehen sollten: Langfristige Klarheit über den Kurs des Landes in der Abtreibungsfrage erwarten sich Befürworter und Gegner im Sommer. Denn dann steht ein Urteil des Supreme Court an, das so weit gehen könnte, „Roe vs. Wade“ zu kippen. Im Fall „Dobbs vs. Jackson Women’s Health Organization“ befasst sich das Gericht mit der Frage, ob alle Verbote von Abtreibungen vor der Lebensfähigkeit des Kindes außerhalb des Mutterleibs verfassungswidrig sind. In der Vergangenheit signalisierte das mehrheitlich konservative Richtergremium durchaus Bereitschaft, an der bestehenden Rechtslage zu rütteln. Sollte „Roe“ tatsächlich fallen, gilt als wahrscheinlichstes Szenario, dass es der Oberste Gerichtshof jedem Bundesstaat überlässt, seine eigenen Abtreibungsgesetze zu erlassen. Ein Flickenteppich würde entstehen, die landesweit verbindliche Regelung wegfallen. Noch ist dies nicht ausgemacht. Bis das Urteil ergeht, dürften sicher noch weitere konservative Staaten mit restriktiven Gesetzen nachziehen.

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