Nach Einschätzung von Sami El-Yousef, Geschäftsführer des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, unterscheidet sich das Weihnachtsfest 2025 deutlich von den Vorjahren. Gegenüber dem Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem verweist er darauf, dass erstmals seit 2022 in vielen Städten, Gemeinden und Dörfern wieder Weihnachtsbäume auf öffentlichen Plätzen beleuchtet werden. Zudem fänden in zahlreichen Orten Weihnachtsmärkte, Konzerte und adventliche Aufführungen statt. Auch in der Pfarrei der Heiligen Familie in Gaza sei ein Weihnachtsbaum aufgestellt worden.
Zugleich kehrten kleinere Pilgergruppen ins Heilige Land zurück. Nach Angaben El-Yousefs wollten sie ihre Solidarität mit den Christen vor Ort bekunden, die heiligen Stätten besuchen und ihren Glauben stärken. Er äußerte die Hoffnung, dass die Weihnachtszeit den vom Krieg betroffenen Christen Zuversicht gebe.
Prekäre Lage in Gaza
Unverändert angespannt bleibt nach Angaben des Patriarchats die Lage im Gazastreifen. El-Yousef berichtete, dass infolge starker Regenfälle zahlreiche Menschen auf überfluteten Straßen lebten, vielfach ohne ausreichenden Schutz. Viele hielten sich weiterhin in zerstörter Infrastruktur auf.
Die weiterhin geltenden Einschränkungen für Hilfslieferungen erschwerten den Wiederaufbau erheblich, erklärte El-Yousef. Dazu zählten unter anderem fehlende Materialien für Unterkünfte, eingeschränkte technische Möglichkeiten zur Trümmerbeseitigung sowie begrenzte Einfuhrmöglichkeiten für Hilfsgüter.
Bildungs- und Seelsorgearbeit
Trotz der angespannten Gesamtlage sieht das Lateinische Patriarchat nach Angaben seines Geschäftsführers auch positive Entwicklungen. Ordensleute engagierten sich intensiv in der Glaubensvermittlung, sowohl im Pfarrleben als auch in strukturierten Bildungsangeboten. Diese würden unter anderem vom geistlichen Ausbildungszentrum, vom kombinierten Beit-Jala- und Familienzentrum sowie von den katechetischen und liturgischen Büros getragen. Glaubensbildung sei aus Sicht des Patriarchats ein zentraler Faktor, um den Menschen Halt zu geben.
In den 44 Schulen des Lateinischen Patriarchats, die von rund 19.000 Schülerinnen und Schülern besucht werden, werde interreligiöses Zusammenleben praktiziert. Vermittelt würden insbesondere Dialog, Toleranz, Koexistenz und Vergebung.
Maßnahmen im Jubiläumsjahr
Besonders hob El-Yousef eine Entscheidung des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, S. Em. Pierbattista Kardinal Pizzaballa, hervor. Im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr habe der Patriarch angeordnet, aufgelaufene Schulgebühren in Millionenhöhe zu erlassen, die sich aus früheren Schuljahren angesammelt hatten. Von diesem Schuldenerlass profitierten zahlreiche Familien, deren Kinder die Schulen des Lateinischen Patriarchats besuchen. Ziel der Maßnahme sei es gewesen, den Familien in wirtschaftlich äußerst schwieriger Lage spürbare Entlastung zu verschaffen.
Humanitäre Hilfe für Gaza
Seit Beginn des Krieges habe das Lateinische Patriarchat seine humanitären Programme deutlich ausgeweitet, berichtete El-Yousef. Diese reichten von akuter Nothilfe bis zu Maßnahmen zur Einkommenssicherung. In Gaza habe der Schwerpunkt darauf gelegen, die verbliebene christliche Gemeinschaft mit Unterkunft, Nahrung, medizinischer Versorgung und geistlicher Begleitung zu unterstützen.
Diese Hilfe erfolge durch die Präsenz von drei Priestern und sechs Ordensschwestern, die in der Pfarrei lebten. Nach Angaben des Patriarchats fänden dort weiterhin tägliche Gottesdienste sowie pastorale Angebote für verschiedene Altersgruppen statt.
Die Hilfsmaßnahmen richteten sich jedoch nicht ausschließlich an Christen. Seit Beginn des Krieges seien Hilfsgüter an mehr als eine halbe Million Menschen verteilt worden, darunter Lebensmittel, Hygieneartikel und Medikamente.
Unterstützung im Westjordanland
Auch im Westjordanland habe das Patriarchat seine Unterstützung ausgeweitet, insbesondere nach dem Zusammenbruch des Pilger- und Tourismussektors. Viele Menschen hätten infolge wegfallender Erwerbsmöglichkeiten ihre Einkommensgrundlage verloren, berichtete El-Yousef.
Die Hilfen umfassten unter anderem Essensgutscheine, finanzielle Überbrückungshilfen, Unterstützung bei Miet- und Nebenkosten, medizinische Leistungen sowie Beiträge zu Studiengebühren.
Ein weiterer Schwerpunkt lag nach Angaben El-Yousefs auf der Schaffung befristeter Arbeitsmöglichkeiten. Tausende Menschen hätten im Rahmen zeitlich begrenzter Projekte ein Einkommen erzielen können. Diese Programme sollten fortgeführt werden, solange Bedarf bestehe und Mittel zur Verfügung stünden.
Der Autor ist Pressesprecher der deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
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