Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Geschützte Rede oder medizinische Behandlung?

Streit um Konversionstherapie erreicht den US-Supreme Court

Der Oberste US-Gerichtshof verhandelt, ob Colorados Verbot von Konversionspraktiken für Minderjährige zulässig ist oder die Redefreiheit verfassungswidrig beschränkt. Dutzende gleichartiger Gesetze könnten bald kippen.
Streit um Konversionstherapien
Foto: IMAGO/Michael Brochstein / SOPA Images (www.imago-images.de) | Im Zentrum von „Chiles v. Salazar“ steht das Gesetz des US-Bundesstaats Colorado, das sogenannte Konversionstherapien bei Minderjährigen verbietet - ein Thema, das schon länger für intensive Diskussionen sorgt.

Der Oberste US-Gerichtshof beschäftigt sich aktuell mit einem Thema, das große Auswirkungen auf den Schutz von Kindern, die Arbeit von Therapeuten sowie die Meinungsfreiheit haben könnte. Im Zentrum von „Chiles v. Salazar“ steht das Gesetz des US-Bundesstaats Colorado, das sogenannte Konversionstherapien bei Minderjährigen verbietet – also Behandlungen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu verändern. Ähnliche Gesetze gibt es in etwa zwei Dutzend US-Bundesstaaten sowie auch in Deutschland und fast allen anderen europäischen Ländern.

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Die Klägerin Kaley Chiles, zugelassene Therapeutin und gläubige Christin, fühlt sich durch das in Colorado geltende Verbot in ihrer Redefreiheit eingeschränkt. Sie betont, keine „Bekehrungstherapie“ anzubieten, sondern Jugendlichen zu helfen, die freiwillig an ihrer Identität arbeiten möchten – etwa, um „unerwünschte Anziehungskräfte zu verringern“ oder „mehr Harmonie mit ihrem Körper zu erfahren“. Das Gesetz verbiete aber selbst solche Gespräche, obwohl sie für viele junge Menschen wichtig seien.

Bundesgerichte stärkten Colorado den Rücken

Bundesgerichte in Colorado hatten das Gesetz zuvor bestätigt: Aus ihrer Sicht wird nicht die freie Rede beschnitten, sondern bestimmten medizinischen Handlungen von Fachpersonal Grenzen gesetzt. Der Supreme Court nahm den Fall an, um zu prüfen, ob diese Auslegung mit dem Ersten Zusatzartikel der US-Verfassung vereinbar ist, der das Recht auf Religions-, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit garantiert.

Über die erste Anhörung in dem Fall, die am Dienstag stattfand, berichteten zahlreiche Medien, unter anderem die „Washington Post“, in einer Live-Berichterstattung. Vor Gericht argumentierte Chiles’ Anwalt James Campbell, das Gesetz sei ein schwerer Eingriff in die Meinungsfreiheit. „Frau Chiles wird zum Schweigen gebracht“, sagte er. „Die Kinder und Familien, die ihre Hilfe ersuchen, bleiben ohne Unterstützung.“ Wenn der Staat bestimmen dürfe, welche Sichtweisen in einer Beratung erlaubt sind, könnten „Therapeuten zu Sprachrohren der Regierung“ werden.

Dagegen betonte die Generalstaatsanwältin von Colorado, das Gesetz schütze Kinder vor erwiesenermaßen schädlichen Praktiken. Der Schutz von Kindern habe für den Staat oberste Priorität. Die meisten medizinischen Fachverbände, darunter die „American Medical Association“ und die „American Psychological Association“, unterstützen das Verbot und bezeichnen solche Behandlungen als unethisch und unwirksam.

Trump-Regierung tritt für Konversionstherapien ein

Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Hashim Mooppan, der die Trump-Regierung vertritt, stellte sich weitgehend auf die Seite von Chiles: Bei Gesprächstherapie handle es sich „ausschließlich um Sprache“, und deren Einschränkung greife direkt in das Grundrecht der freien Rede ein.

Laut dem juristischen „SCOTUSblog“ zeigte sich der Oberste Gerichtshof „weitgehend wohlwollend gegenüber“ Kaley Chiles. Einige Richter fragten, ob das Gesetz des Bundesstaats Colorado nicht unterschiedliche Weltanschauungen ungleich behandle. Die von Obama eingesetzte, linksliberale Richterin Elena Kagan äußerte sich skeptisch über die Auslegung des Gesetzes. Am Beispiel der homosexuellen Person fragte sie, warum nur einer der beiden Ansätze – die Unterstützung, nicht die „Umkehrung“ – erlaubt sei. „Das scheint Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung zu sein“, sagte sie. Der konservative Richter Samuel Alito sprach sogar von einer „offenkundigen Diskriminierung von Meinungen“.

Andere Richter wiederum, wie Ketanji Brown Jackson und Sonia Sotomayor, unterstrichen, dass die staatliche Regelung medizinischer Behandlungen üblich und notwendig sei, gerade wenn es um den Schutz von Minderjährigen gehe. Sie wiesen darauf hin, dass das Gesetz ausschließlich für Minderjährige gelte und außerhalb therapeutischer Sitzungen keine Einschränkungen bestünden.

Am Ende muss der Supreme Court entscheiden, ob therapeutische Gespräche vor allem geschützte Rede oder medizinische Behandlung sind, die staatliche Kontrolle erfordert. Laut „SCOTUSblog“ ist am Ende der 90-minütigen Anhörung offengeblieben, ob der Supreme Court selbst entscheiden oder den Fall an die unteren Instanzen zurückverweisen wird, um eine genauere Prüfung vorzunehmen. Ein Urteil könnte Auswirkungen auf ähnliche Gesetze in den USA und die Arbeit vieler therapeutischer Berufe haben.

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