Mit dem deutschen Außenminister Johann Wadephul und dem US-Sonderbeauftragten Steve Witkoff richten derzeit die Freunde Israels dezente Mahnworte an die Regierung Netanjahu. Beide Politiker sind vor Ort, sprechen mit Regierungsvertretern und machen sich selbst ein Bild von der Lage. Das hat humanitäre, völkerrechtliche und geopolitische Gründe.
Humanitäre, weil die Versorgungslage im Gazastreifen sich so dramatisch verschärft, dass alle relevanten Organisationen der Vereinten Nationen sowie maßgebliche Hilfswerke – darunter katholische wie die Caritas und die Malteser – vor einer unmittelbar bevorstehenden Hungersnot im Gazastreifen warnen. Die Versorgung der Bevölkerung aus der Luft, wie sie Deutschland in Zusammenarbeit mit Jordanien begonnen hat, ist nicht ungefährlich und nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Alle wissen, dass eine Grundversorgung der 2,4 Millionen Einwohner auf dem Landweg durch internationale Organisationen möglich wäre, wenn Israel dies zuließe.
Völkerrechtlich dramatisiert sich die Lage an beiden Konfliktlinien: im Gazastreifen, weil die israelische Offensive mittlerweile rund 60.000 Menschenleben gefordert hat und in der Knesset bereits offen über Vertreibung und Neubesiedlung debattiert wird; im Westjordanland, weil dort israelische Siedler illegal Siedlungen errichten und ausweiten. Teilweise beschützt durch israelische Sicherheitskräfte attackieren radikale Siedler palästinensische Dörfer und Olivenhaine. Auch die letzte rein christliche Stadt des Westjordanlands, Taybeh, wurde zuletzt mehrfach überfallen.
Internationale Isolation droht
Geopolitisch relevant ist der Versuch von Wadephul und Witkoff, weil sich immer mehr westliche, also nicht-muslimische Staaten von Israel abwenden und eine einseitige Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit vorantreiben: Nach Frankreich und Großbritannien kündigten auch Kanada und Portugal einen solchen Schritt bei der im September bevorstehenden UN-Generalversammlung an. Die USA nahmen an der von Frankreich und Saudi-Arabien organisierten, bahnbrechenden UN-Konferenz Anfang dieser Woche in New York zur Zweistaatenlösung nicht teil, ja kritisierten sie sogar; Deutschland steht bei der Anerkennung Palästinas wie bei Sanktionen gegen Israel (wie sie etwa jetzt Slowenien in Kraft setzte) mit beiden Beinen auf der Bremse.
Doch in Washington wie in Berlin spürt man, was die Regierung Netanjahu weiter ignoriert: dass Israel zwar militärisch erfolgreich ist, politisch aber immer mehr in internationale Isolation gerät. Wadephul sprach das in Tel Aviv und Jerusalem offen an, wies Pläne von Vertreibungen im Gazastreifen und Annexionen im Westjordanland zurück – und wurde weitgehend ignoriert. Das spricht bedauerlicherweise nicht dafür, dass die israelische Regierung dazu neigt, auf ihre Freunde zu hören.
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