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Frankreich: Präsidentschaftskandidaten äußern sich zur Euthanasie

Die Zeitschrift „Famille Chrétienne“ befragt die französischen Präsidentschaftskandidaten zu für Katholiken wichtigen Themen.
Präsidentschaftswahl in Frankreich: Kandidatin Marine Le Pen
Foto: Laurent Cipriani (AP) | Das französische Magazin „Famille Chrétienne“ hat sechs der zwölf Kandidaten im Rennen um das Amt des französischen Staatspräsidenten befragt, wie sie zu für Katholiken relevanten Themen stehen.

Wie stehen Sie zum assistierten Suizid, zur Euthanasie und zur Palliativmedizin? Diese Frage hat das französische Magazin „Famille Chrétienne“ sechs der zwölf Kandidaten im Rennen um das Amt des französischen Staatspräsidenten gestellt. In den kommenden Wochen will die katholische Zeitschrift auch die Themen Armut, nationale Identität und Schule/Bildung abfragen. Hiermit möchte sie Katholiken dabei helfen, die Kandidaten aus Sicht der katholischen Soziallehre zu bewerten und eine informierte Wahlentscheidung zu treffen. Der Philosoph Damien Le Guay ist Spezialist für Fragen von Sterbebegleitung und Suizidassistenz und kommentiert die Äußerungen der einzelnen Kandidaten.

Pécresse: Schwäche muss Platz in Gesellschaft haben

Die bürgerliche Kandidatin Valérie Pécresse spricht sich dafür aus, die geltende Rechtsprechung beizubehalten. Diese sieht im Fall unheilbar kranker Patienten am Lebensende die Möglichkeit einer tiefen und fortgesetzten Sedierung bis zum Tod vor. Euthanasie entspreche nicht ihrer Vision der menschlichen Würde. „Mir ist unwohl bei dem Gedanken, in einem Land zu leben, das den Tod gibt. Ich will nicht, dass alte Menschen sich dafür entscheiden, weil sie sich als Last für ihre Angehörigen empfinden. Schwäche muss in unserer Gesellschaft einen Platz haben. Sie gehört zum Leben.“ Der Philosoph Damien Le Guay moniert, dass die bürgerliche Rechte zwar in gesellschaftlichen Fragen immer wieder gerne moralische Prinzipien betone, aber keine konkreten Zusagen zur finanziellen und praktischen Umsetzung mache. 

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Marine Le Pen ist „absolut gegen die Legalisierung der Euthanasie“ und sieht erhebliche Defizite in der Palliativmedizin in Frankreich. Sie hält es für eine bedenkliche Entwicklung von Produktionsgesellschaften, die Menschen nach ihrer „Nützlichkeit“ zu bemessen. Mit den 20 Milliarden Euro, die sie dem Gesundheitssektor zukommen lassen will, wolle sie auch den Ausbau der Palliativmedizin konsequent vorantreiben. Der Philosoph Damien Le Guay begrüßt, dass die Tochter Jean-Marie Le Pens die Palliativmedizin ausbauen wolle und sich Gedanken zur praktischen Umsetzung gemacht habe. Allerdings sieht er hier auch eine mögliche Wahlstrategie in Richtung der Katholiken. 

Zemmour: Würde der Patienten nicht verhandelbar

Eric Zemmour, „Newcomer“ in der politischen Szene und ein weiterer Herausforderer des amtierenden Präsidenten, Emmanuel Macron, von rechts, möchte aus der „Leiden oder Sterben“-Falle herauskommen. „Die Würde der Patienten ist nicht verhandelbar, sie hängt nicht von ihrer Autonomie oder ihrem Bewusstseinszustand ab. Andernfalls ist die Tür für alle Entgleisungen offen.“ Der Grad der Menschlichkeit einer Gesellschaft lasse sich daran messen, wie sehr sie sich um ihre Alten, Sterbenden und Schwächsten kümmere. Statt die Euthanasie zu legalisieren möchte er mit einem Ausbau der Palliativmedizin „alles tun, um Schmerzen zu lindern“ und jedem ein „friedliches und humanes Lebensende“ zu ermöglichen. Le Guay sieht auch hier einen richtigen Ansatz, möchte aber Zahlen zur praktischen Umsetzung sehen.

Macron liegt in den Umfragen zur Wahlintention aktuell weit vorne. „Famille chrétienne“ hat nicht direkt mit ihm gesprochen, sondern zitiert ihn aus einem Interview-Buch mit dem Chefredakteur des Magazins, das im März erscheinen wird. Er habe keine versteckte Agenda zu gesellschaftlichen Fragen. Er sei zunächst für die Anwendung der bestehenden Gesetzgebung und für eine Verminderung des Leidens. „Sollte man noch weitergehen?“ Diese Frage sei zivilisatorischer Natur, die eine sehr breite Debatte verdiene. Damien Le Guay moniert, die Entscheidung an eine breite gesellschaftliche Konsultation zu delegieren, sei eine einfache Art, sie Lobbygruppen zu überlassen, an die Mehrheitsmeinung anzudocken und seine Hände in Unschuld zu waschen.

Nur die linken Kandidaten für Liberalisierung

Der Kommunist Jean-Luc Melenchon befindet sich in den Wahlumfragen derzeit auf dem fünften Platz hinter Emmanuel Macron und seinen bürgerlich-konservativen Herausforderern. Er und der grüne Kandidat Yannick Jadot sind für eine Liberalisierung der Gesetzgebung zur Euthanasie und zum assistierten Suizid. Beide sprechen sich gleichzeitig für einen Ausbau der Palliativsorge aus.

Die Präsidentschaftswahl findet in zwei Wahlgängen am 10. und am 24. April statt. DT/fha

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