Eriwan statt Brüssel oder Berlin: Ihre erste Auslandsreise als französische Präsidentschaftskandidatin führt Valérie Pécresse nach Armenien, um ihre Unterstützung für die Christen des Kaukasus und des Orients zu demonstrieren. Die Kandidatin der bürgerlichen „Républicains“ folgt damit auf den rechten Kandidaten Eric Zemmour, der bereits vor zehn Tagen in den ehemaligen sowjetischen Satellitenstaat im Kaukasus gereist ist. Beide Kandidaten bemühen sich um die Unterstützung der katholischen Wählerschaft, sowie der armenischen Gemeinschaft in Frankreich, die aus etwa 600.000 Personen, darunter 400.000 Wählern, besteht.
Schutz der Orientchristen wichtig für französische Katholiken
Der Schutz der Orientchristen liegt den französischen Katholiken traditionell am Herzen. Die Besuche in Armenien werden damit zu einem Symbol der Verteidigung der christlichen Zivilisation gegen den Islam, eine Thematik, die Eric Zemmour in den Wahlkampf eingebracht hat. Ein bewaffneter Konflikt um die Region Bergkarabach zwischen dem mehrheitlich christlichen Armenien und dem islamischen Aserbaidschan hatte 2020 rund 6.200 Tote gefordert, darunter 3.400 Armenier. Unterstützt von Recep Tayyib Erdogan konnte Aserbaidschan die Kontrolle über die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region behaupten. Die bleibenden Spannungen lassen weiterhin einen Wiederausbruch von kriegerischen Auseinandersetzungen befürchten.
Am heutigen Vormittag besuchte Pécresse die Gedenkstätte des armenischen Völkermords und legte dort einen Blumenkranz nieder, bevor sie zum Militärfriedhof von Erablur über Eriwan aufbrach, auf dem 2.000 Soldaten und Freiwillige aus dem Krieg um Bergkarabach begraben liegen. Auf dem Programm stand ebenfalls ein Treffen mit dem Katholikos der Armenischen Apostolischen Kirche, Karekin II. Gegenüber Pécresse äußerte der Patriarch seine Sorge um die rund 150 Kirchen im Bergkarabach unter aserbaidschanischer Kontrolle.
Die Kandidatin wurde auch vom Präsidenten der armenischen Republik empfangen. Begleitet wurde Pécresse vom Chef der „Républicains“ im Senat, Bruno Retailleau. Gegenüber „Le Monde“ hatte dieser gestern geäußert: „Was dort geschieht, betrifft auch uns, weil wir eine gemeinsame Geschichte und jahrhundertelange Verbindungen haben. Wir kämpfen denselben Kultur- und Zivilisationskampf.“
Mitte Dezember war Eric Zemmour bereits in Armenien
Begleitet vom rechtskonservativen Politiker und Gründer des katholischen Freizeitparks „Puy du Fou“ Philippe de Villiers war Eric Zemmour vom 11. bis zum 15. Dezember in Armenien. Dort traf er mit Abgeordneten des armenischen Parlaments und mit Raphaël Bedros XXI. Minassian, Patriarch von Kilikien zusammen. Er besuchte ebenfalls die Gedenkstätte des armenischen Genozids, den Berg Ararat und nahm an einer Liturgie im Kloster Chor Wirap in der Provinz Ararat teil.
Die Besuche lassen keinen Zweifel daran bestehen, wo im politischen Spektrum sich die Entscheidung um den oder die zukünftige(n) französische(n) Staatschef(in) abspielen wird: Im ersten und im zweiten Wahlgang wird es auch darauf ankommen, wer die Stimmen der konservativen Katholiken für sich gewinnen kann.
Valérie Pécresse versucht, bei französischen Katholiken zu punkten. Ist sie damit durch ihre erste Auslandsreise nach Eriwan erfolgreich? Lesen Sie einen ausführlichen Hintergrund in der kommenden Ausgabe der Tagespost.