Inmitten einer dramatischen Eskalation der Gewalt im Heiligen Land hat US-Außenminister Antony Blinken in dieser Woche in Israel einen Beitrag zum Abbau von Spannungen zu leisten versucht. Am Freitag der Vorwoche hatte ein 21-jähriger Palästinenser sieben Besucher einer Synagoge in Ost-Jerusalem erschossen. Am Tag zuvor waren bei einer Razzia in Dschenin zehn Palästinenser getötet worden. Allein im Januar sind 35 Palästinenser von der israelischen Armee oder bei eigenen Anschlägen getötet worden; im Vorjahr waren es 172.
Israelische Hardliner planen liberalere Waffengesetze
Die Hardliner in der neuen israelischen Regierung planen nun liberalere Waffengesetze für Israelis und ein noch härteres Vorgehen gegen die Angehörigen arabischer Attentäter. Es geht dabei um den Entzug von Sozialleistungen und die Zerstörung oder Enteignung von Wohneigentum. Obgleich solche Kollektivstrafen völkerrechtlich verboten sind, könnten - falls die geplanten Gesetze beschlossen werden - Verwandte von Attentätern enteignet und dadurch obdachlos werden. Regierungschef Benjamin Netanjahu will zudem die umstrittene israelische Siedlungspolitik vorantreiben.
Viele Beobachter warnen vor der Gefahr einer neuen Intifada, zumal die politische Zuständigkeit für Polizei und Sicherheitskräfte in Israel bei betont anti-arabischen Ministern liegt. Netanjahu sagte am Montag: "Wir suchen keine Eskalation, aber wir sind auf jede Möglichkeit vorbereitet. Unsere Antwort auf den Terrorismus ist eine eiserne Faust, eine kraftvolle, schnelle und präzise Antwort." US-Außenminister Blinken mahnte zum Abbau von Spannungen und bekräftigte bei seinen Gesprächen mit Netanjahu am Montag wie mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Dienstag, Washington sei weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung, also für einen unabhängigen Palästinenserstaat an der Seite Israels. "Alles, was uns von dieser Vision entfernt, ist in unseren Augen schädlich für Israels Sicherheit und seine langfristige Identität als jüdischer und demokratischer Staat", so Blinken.
Netanjahu mit außenpolitischem Bedrohungsszenario konfrontiert
Die USA drängen die Palästinensische Autonomiebehörde, die aufgekündigte Sicherheitszusammenarbeit mit den israelischen Behörden fortzusetzen. Gleichzeitig versprach Blinken in Ramallah US-Hilfen in Höhe von 50 Millionen Dollar für das UN-Palästinenserhilfswerk. Abbas klagte, die Welt unterstütze die Palästinenser zu wenig, und wies die Schuld an der aktuellen Eskalation einseitig Israel zu. Die "vollständige Einstellung einseitiger israelischer Handlungen" bezeichnete Abbas als Vorbedingung für eine Wiederaufnahme des politischen Dialogs. Jede Seite müsse nun "Schritte unternehmen, um weitere Gewalt zu verhindern", bilanzierte Blinken vor seiner Abreise.
Zusätzlich zur brodelnden innenpolitischen Lage sieht sich die Regierung Netanjahu mit einem außenpolitischen Bedrohungsszenario konfrontiert: Zuletzt wurde eine iranische Rüstungsfabrik in Isfahan, in der auch Raketen mit hoher Reichweite produziert werden, von Drohnen angegriffen. Amerikanischen Medienberichten zufolge soll Israels Geheimdienst dahinter stecken. Nach Angaben des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, verfügt der Israel feindlich gesinnte Iran jetzt über ausreichend angereichertes Uran für Atomwaffen, auch wenn dieses noch nicht waffentauglich sei. Sowohl die Regierung Israels als auch Washington wollen mit allen Mitteln verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangt.
Dem Iran käme eine weitere Eskalation gelegen
Blinken verwies in Israel nun darauf, dass der Iran sowohl Terroristen gegen Israel wie auch "die russischen Drohnenangriffe auf unschuldige ukrainische Zivilisten" unterstütze. Wohl zum Dank für iranische Drohnen, die im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden, festigt Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Achse Moskau-Teheran: Am Dienstag räumte er dem Iran eine Mitsprache bei der Zukunft Syriens ein. Eine weitere Eskalation im Heiligen Land käme Moskaus Verbündeten in Nahost derzeit ganz gelegen.
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