„Wir wollen keine Rache, wir wollen Heilung“, sagte eine Frau, die beim Terrorüberfall der Hamas auf Israel vor zwei Jahren ihre Mutter wie ihre 13-jährige Tochter verlor, bei der im israelischen Fernsehen übertragenen Gedenkfeier am Dienstag. „Wir wollen die Angst besiegen und wieder Hoffnung finden. Wir wollen den Hass überwinden und unsere Menschlichkeit wiederfinden. Wir wollen die Wut überwinden und wieder Mitgefühl finden.“
Wer so denkt wie diese Frau, muss in diesen Tagen hoffen, dass Donald Trumps 20-Punkte-Plan von allen Akteuren akzeptiert wird. Nicht etwa, weil der Plan perfekt und die Lösung aller Probleme wäre, sondern weil die Alternative dazu die Fortsetzung von Krieg und Leid sowie in der Folge von Hass und neuem Terror wäre. Ja, Trumps Plan, über den seit Montag in Ägypten verhandelt wird, lässt Fragen unbeantwortet und stellt keine Seite ganz zufrieden. Aber er eröffnet einen Raum der Diplomatie, der vor der jüngsten Begegnung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu mit dem US-Präsidenten undenkbar schien.
Eine Lösung der nahöstlichen Probleme scheint unmöglich
Eine Lösung für die nahöstlichen Probleme ist nach menschlichem Ermessen unmöglich, aber ein halbwegs friedliches, stabiles Leben mit den Problemen könnte das Ziel der Politik sein. Viele Israelis, insbesondere die Angehörigen der Geiseln, protestierten gegen Netanjahus Kriegskurs, weil sie sahen, dass nicht die Befreiung der verbliebenen Geiseln, sondern die totale Zerschlagung der Hamas die Priorität ihrer Regierung sei. Der Trump-Plan befreit Israel aus dieser fatalen Alternative, denn er sieht die Freilassung aller Geiseln und die Entwaffnung der Hamas vor.
Die Palästinenser bekämen ein Ende der israelischen Offensive, die Zehntausenden das Leben und fast allen Bewohnern des Gazastreifens Haus und Lebensgrundlage gekostet hat. Von seiner inhumanen, völkerrechtswidrigen Ankündigung, zwei Millionen Palästinenser aus dem Gazastreifen vertreiben oder aussiedeln zu wollen, ist Trump längst abgerückt. Niemand soll gezwungen werden, das Gebiet zu verlassen, und wer es tut, hat ein Recht auf Heimkehr. Anstelle der Terrororganisation Hamas oder der dysfunktionalen Palästinensischen Autonomiebehörde, die im Westjordanland agiert, soll ein unpolitisches palästinensisches Technokraten-Komitee Gaza regieren, und zwar unter internationaler Aufsicht. Die Vision einer palästinensischen Selbstbestimmung und Eigenstaatlichkeit wird in Trumps Plan nur vage als Fernziel nach dem Wiederaufbau des Gazastreifens und einer Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde beschrieben, denn mehr wäre nach dem 7. Oktober 2023 weder realistisch noch der israelischen Gesellschaft zuzumuten.
Ohne die USA geht es nicht
Notwendig und klug ist die Internationalisierung des skizzierten Weges, denn ohne eine starke Rolle der USA und arabischer Schlüsselstaaten in dem gesamten Prozess wären schon die ersten Schritte zum Scheitern verurteilt. Nur die USA können so viel Druck auf die israelische Regierung ausüben, dass jene Hardliner sich nicht durchsetzen, die eine völlige Annexion des Gazastreifens und des Westjordanlandes fordern. Nur die arabischen Staaten und die Türkei können so viel Druck auf Hamas und Autonomiebehörde ausüben, dass eine Entmachtung der Terroristen und eine Reform der Behörde erzwungen wird.
Denn jenseits des populistischen Solidaritätsgeschreis betrachten Israels arabische Nachbarn die Hamas längst als Ballast und die Palästinenserfrage als Hindernis für die Entwicklung der Region. Für sie und auch für Israel wäre ein zähneknirschend akzeptierter Weg der Kompromisse allemal besser als die Fortsetzung eines Krieges, der den Boden für neuen Terror bereitet.
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