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Psychologische Kriegsführung

Russlands Außenminister zieht auf Malta alle Register der Desinformation und der Einschüchterung.
Sergej Lawrow, russische Außenminister
Foto: IMAGO/Russian Foreign Ministry (www.imago-images.de) | Was sich Lawrow in Valletta leistete, beschädigt auch die OSZE, eine der letzten multilateralen Bühnen, auf denen Russland eingebunden ist und mit dem, was Putin den „kollektiven Westen“ nennt, ins Gespräch kommen ...

Wer George Orwells dystopischen Roman 1984 für übertrieben und die Umformung des Denkens durch „Neusprech“ (Newspeak) für ein Schreckgespenst hält, kennt Sergej Lawrow noch nicht. Der russische Außenminister hat bei seinem ersten Besuch in der EU seit dem Beginn des vollumfänglichen Kriegs in der Ukraine alle Register seines Könnens gezogen: Ausgerechnet das Außenministertreffen der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) nutzte Lawrow für das, was US-Außenminister Antony Blinken später als „Desinformations-Tsunami“ bezeichnete.

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Lawrows präsentierte Sicht lautet etwa so: Die USA führen mit Hilfe des „Kiewer Nazi-Regimes“ einen Krieg gegen Russland. Moskau sei jederzeit zum Frieden bereit, müsse sich aber verteidigen – und das nötigenfalls mit allen, also auch atomaren Mitteln. Wie angesichts einer derartigen Akrobatik Verhandlungen möglich sein sollen, ist ein Rätsel. Warum der ukrainische und der polnische Außenminister sich diese Lügen auf internationaler Bühne nicht anhören wollten, sondern aus Protest den Saal verließen, schon weniger.

Ein Musterbeispiel für die Methode des Putin-Regimes

Selbst die russischen Massaker von Butscha und Irpin leugnete der russische Außenminister bei dem Treffen auf Malta, obwohl alles penibel dokumentiert ist und zahlreiche internationale Journalisten (darunter der Autor) die frischen Massengräber von Butscha besichtigten und mit Opfern oder ihren Angehörigen sprachen. Lawrows Auftritt bei der OSZE ist ein Musterbeispiel für die Methode des Putin-Regimes: Die Wirklichkeit wird einfach geleugnet, neue „Wirklichkeiten“ werden erfunden. Fakten spielen keine Rolle, nur Thesen und Theorien. Das Ziel ist, dass es im Bewusstsein der Menschen am Ende keine Wahrheit mehr gibt, sondern nur mehr unterschiedliche Sichtweisen.

Was sich Lawrow in Valletta leistete, beschädigt auch die OSZE, eine der letzten multilateralen Bühnen, auf denen Russland eingebunden ist und mit dem, was Putin den „kollektiven Westen“ nennt, ins Gespräch kommen könnte. Kein gutes Omen für eine Verhandlungslösung, die für Russland wie für die Ukraine angesichts des Horrors des Krieges der beste Weg wäre. Stattdessen droht Lawrow wieder einmal mit einem Atomkrieg, zu dem sich das vermeintlich angegriffene Russland gezwungen sehen könnte. Aus dem orwellschen Neusprech übersetzt suggeriert das: Eine russischer Diktatfrieden für die Ukraine wäre das Beste, was dem Westen passieren könnte.

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Stephan Baier Antony Blinken George Orwell Sergej Lawrow Wladimir Wladimirowitsch Putin

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