Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung UKRAINISCHES TAGEBUCH – Teil 3

Ein prachtvoller Tag in der Ukraine

Warum deutsche Verwaltungsbeamte und österreichische Manager bei der griechisch-katholischen Kirche von Iwano-Frankiwsk Nachhilfe nehmen sollten.
Prachtvolle Gewänder bei der Bischofsweihe in Iwano-Frankiwsk
Foto: Stephan Baier

Als hätte der Krieg eine Pause gemacht: Am Mittwoch feierte die griechisch-katholische Kirche eine Bischofsweihe, die das Prädikat „prachtvoll“ verdient. Prachtvoll begrüßte uns schon am Morgen die Wintersonne – und so sollte es weitergehen. Die Kathedrale von Iwano-Frankiwsk ist bereits gut gefüllt mit Metropoliten und Bischöfen, Priestern und einfachen Gläubigen, Seminaristen und Ordensfrauen, als Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk – den alle nur „Patriarch“ nennen – feierlich einzieht. Auf der Kanzel drängen sich fünf Kinder, die von dort gewiss den besten Überblick haben. So eine Bischofsweihe erlebt man vielleicht nur einmal. Es ist erst die zweite in der Ukraine seit dem Beginn der russischen Invasion vor einem Jahr.

Prachtvoll sind die Gesänge, die Gewänder der Priester, die Kronen der Bischöfe. Geduldig sind die Gläubigen, die die dreistündige Liturgie ohne Murren durchstehen. Ja, tatsächlich durch-stehen, denn Sitzplätze gibt es nur für Bischöfe. Der Patriarch predigt gleich mehrfach, frei und lange, mit einem strahlenden Lächeln und starker Stimme. Fast als habe die Würde der Liturgie seiner eher feingliedrigen, zarten Gestalt Zaubertrank eingeflößt. Die Menschen hängen sichtlich an seinen Lippen.

Bischofsweihe
Foto: Stephan Baier | Mykola Semenyschuyn, ein ausgesprochen schmaler, junger Priester, wird von Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk zum Bischof geweiht.

Und noch jemand steht im Mittelpunkt des Interesses und der Zuneigung: Mykola Semenyschuyn, ein ausgesprochen schmaler, junger Priester, der in diesen Stunden zum Bischof geweiht wird. Ein fröhlicher, beinahe jungenhafter Typ, der mühelos zwischen Ukrainisch und Italienisch hin- und herwechselt, die Seinen umarmt und segnet. Nun ist er geweiht und gekrönt. Ob den russischen Aggressoren klar war, dass sie in diesen Stunden mit einer einzigen Rakete auf die Kathedrale von Iwano-Frankiwsk nahezu die ganze Führung der griechisch-katholischen Kirche hätten liquidieren können?

Priester werden entführt und gefoltert

Stattdessen entführen und foltern die Okkupanten die Priester einzeln. Wie die beiden Redemptoristen-Patres Ivan Levytsky und Bohdan Heleta, die als Pfarrer beziehungsweise Kaplan an der Kirche „Mariä Geburt“ in Berdjansk wirkten, an der ukrainischen Schwarzmeerküste, westlich von Mariupol. Beim Mittagessen nach der Bischofsweihe spreche ich mit ihrem Bischof, Stefan Meniok, dem Exarchen von Donezk. Die Welt soll vom Schicksal seiner entführten Priester erfahren, sagt er und schildert die Willkürherrschaft der Besatzungsmacht, den Kampf der Russen gegen die griechisch-katholische Kirche, die Beweise dafür, dass seine Priester unter der Folter zu falschen Geständnissen gezwungen werden sollten. Der Krieg hat also doch keine Pause gemacht.

Bischof Stepan Meniok, Exarch von Donezk
Foto: Stephan Baier | Erzählte von der Willkürherrschaft der Besatzungsmacht und dem Kampf der Russen gegen die griechisch-katholische Kirche: Bischof Stepan Meniok, Exarch von Donezk.

Doch trotz des Vernichtungswillens und der Zerstörungswut des großen Nachbarn strahlt dieses Land eine beeindruckende Vitalität aus. Iwano-Frankiwsk ist eine Hochburg der griechisch-katholischen Kirche: 200 Priesteramtskandidaten leben hier in einem riesigen, blitzblank sauberen Seminar; 120 von ihnen studieren für diese Diözese. Scharen hilfsbereiter, freundlicher Schwarzkittel huschen durch die langen Flure. Wann gab es das zuletzt in Deutschland oder Österreich?

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Tipptopp und blitzblank sind nicht nur das Priesterseminar und die bischöfliche Kurie, sondern auch die katholische Schule, die 340 Schülerinnen und Schüler besuchen. Und schon wieder drängt sich das Wort „prachtvoll“ auf: beim Besuch der Hauskapelle des Gymnasiums, sogar im Sportsaal. Erst recht in der neuen St. Lukas Klinik, die am Vortag eingeweiht wurde. 200 Ärzte wirken hier; wer nicht zahlen kann, wird kostenfrei behandelt. Das Projekt rechnet sich dennoch. Alles ist neu, gut durchdacht, sauber finanziert und langfristig konzipiert. Hochkompetentes Personal weiß jede Frage zu beantworten. Vielleicht könnten deutsche und österreichische Verwaltungsbeamte und Manager bei der griechisch-katholischen Kirche von Iwano-Frankiwsk Nachhilfe nehmen, schießt mir so durch den Kopf.

Um den Segen lässt er sich nicht lange bitten

Ein letzter Kaffee, dann rasch zum Mietwagen, um noch vor Beginn der nächtlichen Ausgangssperre nach Sarwanyzja zu kommen. Da taucht plötzlich der frischgeweihte Bischof Mykola Semenyschyn im Speisesaal des Priesterseminars auf. Fröhlich und aufgeräumt, wie er schon den ganzen Tag wirkt. Läuft man nicht für einen Primizsegen ein Paar Schuhe durch? Und hier steht ein frisch geweihter, jugendlicher Bischof vor mir, der sich um seinen Segen nicht lange bitten lässt! Prachtvoll!


Begleiten Sie unseren Korrespondenten Stephan Baier in den kommenden Tagen auf seiner Reise durch die Ukraine. Alle Folgen des Ukrainischen Tagebuchs finden Sie hier.

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