Israels Premierminister, der türkische Präsident, der Kanzler Österreichs und der UN-Generalsekretär – eines haben sie alle gemeinsam: Sie alle glaubten an einen Rest von gesundem Menschenverstand und Rationalität bei Kremlchef Wladimir Putin und warfen ihr (höchst unterschiedliches) Gewicht und Prestige in die Waagschale, um auf dem Verhandlungsweg nach Auswegen aus dem Krieg zu suchen. Das ist an sich ehrenvoll, weil jede Stunde des Krieges Menschen das Leben kostet. Aber es hat sich bedauerlicherweise als ertraglos, ja als naiv erwiesen.
Nicht "Einflusszonen" sondern Weltbilder prallen aufeinander
Zuletzt musste am Dienstag in Moskau António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, diese Erfahrung machen. Wo er weich, verbindlich und freundlich agierte, auf Vorwürfe verzichtete und humanitäre Wege auslotete, knallte er auf eine harte Wand aus Ablehnung. Wo er um Klarheit bemüht war – etwa beim Hinweis darauf, dass nur russische Soldaten in der Ukraine seien, nicht aber umgekehrt – ließ ihn ein betont zynischer Außenminister Lawrow einfach ins Leere laufen. Nichts hat Guterres erreicht, außer die Ukrainer zu verärgern, weil er zuerst nach Moskau pilgerte statt nach Kiew zu kommen.
Der Kreml hat sich in seiner Weltsicht und seinen Kriegsbegründungen tief eingegraben: Schuld an allem sei der böse Westen, der Russlands Vorherrschaft im post-sowjetischen Raum nicht anerkennt, sondern die Ukrainer mit ihrem Anspruch auf einen souveränen Staat und eine freie Gesellschaft unterstützt. Solange aber der Kreml das Existenzrecht seiner Nachbarn nicht respektiert, ist eine Verhandlungslösung nicht in Sicht. Hier prallen nicht etwa „Einflusszonen“ aufeinander, wie Russland glauben machten möchte, sondern Weltbilder: Letztlich geht es darum, ob es weiterhin ein Völkerrecht gibt oder zwischenstaatlich nur das Recht des Stärkeren zählt.
Realistischer als bei Guterres‘ Moskau-Besuch ging es am Dienstag in Ramstein zu: Nicht ob, sondern wie man die Ukraine unterstützen und vor dem Vernichtungswillen des Aggressors retten werde, stand zur Debatte. Um Zweifel an der westlichen Entschlossenheit erst gar nicht aufkommen zu lassen, stellte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin klar, man werde „Himmel und Erde“ in Bewegung setzen, um die Ukraine zu verteidigen. Mehr noch: Das Land brauche „Hilfe, um zu siegen“. Mag sein, dass solche Worte Wladimir Putin in seiner Paranoia bestätigen, aber es sind auch die Worte, die er versteht.
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