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Die „sittliche Reife“ und das Lebensrecht der Ungeborenen

Ausgerechnet Olaf Scholz meint, Noten in „sittlicher Reife“ verteilen zu können. Damit belegt er die moralische Ignoranz seines politischen Lagers. Wer den Schutz des Lebensrechtes der Ungeborenen in Frage stellt, sollte sich hüten, auf dem moralisch hohen Ross zu reiten.   
Olaf Scholz, 16.12.
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Die Vertrauensfrage ist verloren, jetzt kann im Wahlkampf noch eine Stufe eskaliert werden: Olaf Scholz am gestrigen Montag im Bundestag.

Jetzt wissen wir also endlich, welches Wort von Olaf Scholz die Zeiten überdauern wird: Es ist sein Gerede von der „sittlichen Reife“ gestern im Bundestag. Klar, eigentlich wollte er nur seinen Ex-Partner, die FDP, abwatschen. Aber die Art und Weise, wie der Kanzler seinen Tadel äußerte, war symptomatisch für den Politik-Stil der Ampel-Jahre. Es ist die Mischung aus der Arroganz, anderen moralische Noten zu erteilen, und der Ignoranz gegenüber den ethischen Prinzipien, die bisher die gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik bestimmt haben. Dies zeigt sich am deutlichsten an dem Versuch dieser Regierung, auf den letzten Metern der Legislaturperiode den Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu kippen. Ist das sittliche Reife, wenn man das Lebensrecht der Ungeborenen nicht mehr schützen will?

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Scholz verfährt nach einer Taktik, die die Linke in den letzten 50 Jahren so sehr verinnerlicht hat, dass sie wahrscheinlich mittlerweile selbst für Wahrheit hält, was tatsächlich ein Kampagnentrick ist: Wir sind die Guten, denn wir sind auf der Seite des Fortschritts, haben also die Vernunft auf unserer Seite. Dieses Mantra, durch willige Medien parallel in den letzten fünf Jahrzehnten in die Öffentlichkeit posaunt, war die geistige Basis, auf der sich die linke Deutungshoheit aufgebaut hat. Die ist nun zwar mit dem Zusammenbruch der Ampel endgültig Geschichte, aber die Arroganz – siehe Scholz – bleibt. Das Gefühl, moralische Avantgarde zu sein, ist der Klebekitt, der dieses Lager von links-liberal bis links-außen zusammenhält. Man braucht nur so etwas wie eine negative Projektionsfläche. Dazu dient auch der Vorstoß in Sachen 218. Das Narrativ dazu: „Die bösen, alten, reaktionären Männer beharren auf dem Alten, aber mit uns marschiert die neue Zeit, wir bringen das Patriarchat ins Wanken.“ Und am besten lässt sich das Ganze auch noch personalisieren: Vorerst war Christian Lindner der böse Wolf. Jetzt in der heißen Wahlkampf-Phase wird Friedrich Merz diese Rolle zugedacht werden.

Die Selbstverständlichkeit, mit der Olaf Scholz die „sittliche Reife“ ins Spiel gebracht hat, belegt wie gering das Reflexionsniveau auf dieser Seite ist. Man zieht überhaupt nicht in Erwägung, dass die andere Seite, zumal in ethischen Fragen, Recht haben könnte. Es kann nicht sein, weil es nicht sein darf. Wenig mehr als ihre Arroganz ist dieser Linken nämlich nicht geblieben. Warum merken sie es nicht? Tja, es fehlt eben an der sittlichen Reife.  

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