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Die drei Päpste im Jahr 1978 und die Folgen

Das Drei-Päpste-Jahr und die Folgen: Aus dem einsamen Heiligen Vater wurde ein Massenphänomen. Von Guido Horst
Vatikan; Beerdigungvon Papst Johannes Paul II
Foto: Markus Ulmer (picture alliance) | Vatikan; Rom Beerdigung von Papst Johannes Paul II ; Uebersicht ueber den mit Zehntausenden Glaeubigen gefuellte Petersplatz FOTO: Pressefoto ULMER / Markus Ulmer |

Es waren 27 Jahre der Kirche, in denen sich eins in jedem Fall geändert hat. Da war der 12. August 1978, der Tag, an dem der schlichte Holzsarg des toten Pauls VI. auf den Stufen zum Sagrado des Petersplatzes lag. Schon ab der Mitte des Kolonnadenrunds begannen sich die Reihen stark zu lichten, der Platz war halbleer.

Dann der 8. April 2005. Wieder ruhte ein schlichter Holzsarg vor der Fassade der Basilika, doch diesmal war der Petersplatz zum Bersten gefüllt. Bis weit in die Via della Conciliazione drängten sich die Menschen, dreieinhalb Millionen Pilger waren nach Rom gekommen, um Abschied von Johannes Paul II. zu nehmen. Viele Italiener, viele Polen, aber aus der ganzen Welt waren vor allem junge Menschen zusammengeströmt und legten durch ihre reine Anwesenheit ein Zeugnis dafür ab, dass der Papst aus dem Osten die Jugend für die Kirche zurückgewonnen hatte.

Inhaltsverzeichnis:

Die Rückgewinnung der Jugend

Es war eine Jugend, die entschiedener glaubte und sich bewusster war, was es heißt, in einem zunehmend entchristlichten Umfeld Kirche zu sein. Viele von ihnen waren durch die Schule der Weltjugendtage gegangen. Am Anfang belächelte man diese Jugendtreffen mit dem Papst, man nahm sie etwa in Deutschland zunächst gar nicht wahr – bis 1995 der Weltjugendtag in Manila stattfand. An der Abschlussmesse mit Johannes Paul II. füllten über vier Millionen junge Leute das Gelände, es war die bis dahin größte Versammlung der Menschheitsgeschichte.

In Europa brachte das Treffen in Paris im Sommer 1997 den Durchbruch. Im laizistischen Frankreich hatten die wenigsten geglaubt, dass ein Papst nochmals junge Menschen anziehen könnte. Über eine Million füllte dann zum abschließenden Gottesdienst das Areal der Pferderennbahn Longchamp.

Und die Weltjugendtage sollten sich nicht als ein kurzfristiges geistliches Strohfeuer im Leben eines reisefreudigen Jugendlichen erweisen. Viele waren im April 2005 zum Abschied von Johannes Paul II. wieder in Rom – jetzt mit Familie und Kindern. Viele kirchliche Bewegungen und junge Gemeinschaften haben durch die Weltjugendtage Zulauf und Auftrieb erhalten. Für andere wurde der Besuch des polnischen Reise-Papstes im eigenen Land ein prägendes Ereignis. Aber auch Medjugorje kam hinzu, der marianische Wallfahrtsort in der Herzegowina mit seiner Eigenschaft, junge und alte Menschen zur Beichte und Bekehrung zu führen.

Der Tod von Papst Paul VI.

Papst Paul VI.
Foto: UPI (dpa) | Papst Paul VI. - Foto: UPI/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Das alles hatte es 1978, in dem sogenannten Drei-Päpste-Jahr, noch nicht gegeben. Da starb ein alter und müde wirkender Paul VI., enttäuscht von den innerkirchlichen Anfechtungen der Jahre nach dem Konzil – und der kulturelle Mainstream war der Meinung, mit der katholischen Kirche insgesamt nehme es allmählich ein Ende.

In die Geschichte ist Paul VI. als Konzilspapst eingegangen. Zwar hatte Johannes XXIII. das Zweite Vaticanum eröffnet. Durchführt und umgesetzt hat es jedoch der Montini-Papst, der frühere vatikanische Innenminister.

Was war also geschehen im Jahr 1978, als der halbleere Petersplatz beim Requiem für den Lenker des Konzils das Ende von Papsttreue und römischer Gesinnung zu signalisieren schien?

Papst Johannes Paul I.: Der „lächelnde Papst“

Zunächst schenkte es der Welt ein Lächeln, das Lächeln von Albino Luciani, der nach 33 Tagen als Papst plötzlich starb und somit überhaupt keine Zeit hatte, seiner Kirche ein irgendwie geartetes Programm zu verordnen.

Johannes Paul I. - Albino Luciani
Foto: dpa | Albino Luciani – Papst für nur 33 Tage: Johannes Paul I.

Auch wenn David Yallup mit seinem millionenfach verkauften Bestseller „Im Namen Gottes“ eine Verschwörungs- und Giftmord-Theorie konstruierte, starb der Luciani-Papst eines natürlichen Todes: Er erlag einer Herzattacke.

Aber sein Lächeln und sein Humor, dem man in seinem Buch „Ihr ergebener Albino Luciani“ mit Briefen an illustre Persönlichkeiten nachspüren konnte, hatten plötzlich ein ganz anderes Papstbild aufleuchten lassen, als man es von Paul VI. gewohnt war.

Papst Johannes Paul II.: Der Papst der alles verändern sollte

Und als dann am 16. Oktober 1978 ein 57 Jahre junger Papst kraftvoll auftrat, war der Grundstein gelegt für eine Renaissance des Papsttums, was so, wie sie dann kommen sollte, nur die wenigsten erwartet hätten.

Johannes Paul II. hat die starken Züge seines Pontifikats Stück für Stück in den Anfangsjahren „erfunden“. Die ersten Auslandsreisen nach Irland, Mexiko und in die Vereinigten Staaten haben erst allmählich den in Rom residierenden Papst zum „Eilenden Vater“ gemacht. Die Jugendtreffen der Jahre 1984, 1985 und 1986 in Rom waren zunächst Versuchsballons, aus denen sich im Laufe der Zeit die großen Weltjugendtage entwickelten, zum ersten Mal 1987 auf einem anderen Kontinent, in Argentinien.

Papst Johannes Paul II. in Polen
Foto: N.N. | Charisma und Integrität: Johannes Paul II. bleibt für die Kirche und die Gläubigen seines Heimatlandes das moralische Vorbild.

Päpste – das war für viele Katholiken bis in die Zeit nach dem Konzil das Foto des Heiligen Vaters über dem Herd oder in der guten Stube. Bis Johannes Paul II. kam. Auch das Papsttum begann sich zu globalisieren, vor allem wurde es unter Papst Wojtyla zu einem Medienereignis. Nicht die Glaubenskongregation wuchs, oder das Dikasterium für den Klerus oder das für die Orden, sondern das Presseamt des Vatikans, das unter dem Profi-Journalisten Joacquin Navarro-Valls zu einer entscheidenden Stabsstelle für die Public Relations des polnischen Papstes wurde.

Der erste Papst aus dem kommunistischen Ostblock

Doch begann 1978 nicht allein die Zeit der Päpste im modernen Medienzeitalter. Johannes Paul II. hatte die schicksalshafte Bestimmung, als Papst aus dem kommunistischen Ostblock auf die Bühne der Weltgeschichte zu treten, als gerade das Reich des Warschauer Pakts ins Wanken geriet und schließlich im Wendejahr 1989 in sich zusammenbrach.

Noch Paul VI. hatte einen vorsichtigen Dialog mit dem Kommunismus führen wollen. Das war mit Papst Wojtyla nicht zu haben. In seiner polnischen Heimat lehrte er die kommunistischen Machthaber das Fürchten – und verschaffte sich damit auch auf dem Parkett der internationalen Politik Reputation.

Die Jugend hat Johannes Paul II. in die Kirche zurückgeholt, aber der innerkirchlichen Krise im Westen konnte er nicht Einhalt gebieten. Der Niedergang der Orden, der Rückgang des Kirchenbesuchs, die Berufungskrise und der theologische Ungehorsam samt den Missständen im katholischen Klerus – man denke nur an das Bekanntwerden immer neuer Missbrauchsskandale seit Anfang dieses Jahrhunderts – gingen weiter. Die große Hoffnung des polnischen Papstes, dass das Christentum wieder lernt, kraftvoll mit seiner westlichen und östlichen Lunge zu atmen, hat sich für den Westen nicht erfüllt.

Bei der Predigt kurz vor dem Konklave nach dem Tod von Johannes Paul II. diagnostizierte Kardinal Joseph Ratzinger jene „Diktatur des Relativismus“, die zur vorherrschenden Doktrin der Gegenwart geworden sei, nichts mehr als definitiv anerkenne und als letztes Maß nur das eigene Ich und das eigene Wollen gelten lasse.

Das Papst-Bild hat sich gewandelt

Das Jahr 1978 hat das Absinken des christlichen Grundwasserspiegels in den ehemaligen Kernlanden der Cattolica nicht aufgehalten, aber dennoch ist etwas geschehen.

Papst Johannes Paul II. reist nach Polen
Foto: dpa | „Das Antlitz der Erde wird neu“: Papst Johanes Paul II. zitierte bei seinem Besuch 1979 in Polen den Psalm 104. Diesen Impuls nahmen die Gründer von Renovabis im Namen des Hilfswerkes auf.

Das Drei-Päpste-Jahr hat der Kirche und der Welt ein neues Papst-Bild beschert.

Mit Johannes Paul II. war der Heilige Vater nicht mehr der einsame, alte Mann hinter den vatikanischen Mauern, sondern wurde als Symbolfigur in Zeiten der Globalisierung zu einem Massenphänomen, das den Sprung in das moderne Medienzeitalter geschafft hat. Manche mögen das bedauern. Aber damit wurden die Päpste auch zu einer Vaterfigur, nach der sich viele Jugendliche in den vaterlosen Gesellschaften des Westens letztlich sehnten. Vor allem Johannes Paul II. hatte das Charisma, junge Menschen direkt anzusprechen, ihnen ein Ideal aufzuzeigen und auch zu fordern. Der Erfolg hat ihm recht gegeben.

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