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Das sagen die Parteien zum Klimawandel

Blick in die Wahlprogramme vor der Bundestagswahl: Das sagen die Parteien zum Klimawandel und zur Frage nach der Bewahrung der Schöpfung.
Demonstration Fridays for Future
Foto: Luise Evers (dpa) | Klimaschutz beherrscht nicht nur als politisches Thema die Straße – wie hier bei einer Demo von „Fridays for Future“ Ende Juli in Hamburg. Das Thema bestimmt auch die Arbeit in den Parlamenten.

Es ist das Thema schlechthin – Klimaschutz. Aus christlicher Perspektive spielt der Schutz des Klimas durchaus eine Rolle, wenn er als Baustein der Schöpfungsbewahrung gedacht wird. Dem Klimaschutz wird in den Wahlprogrammen ein äußerst großer Stellenwert eingeräumt.

CDU/CSU: „Pariser Klimaziele sind Grundlage“

Das Erreichen der Klimaziele und die Erhaltung der Artenvielfalt und der Wälder – dies seien die „Überlebensfragen der Menschheit“, urteilt die Union in ihrem Wahlprogramm. Der europäische Emissionshandel stellt für die Union ein zentrales Mittel zur Reduktion von Treibhausgasen dar. Dieser solle auf die Bereiche Verkehr und Gebäude (Wärme) ausgeweitet werden. Bisher erfasst der Emissionshandel nur die Sektoren Energie und energieintensive Industrie. Langfristig sei der Emissionshandel zu einem weltweiten Handelssystem auszubauen. Grundsätzlich sehen die Christdemokraten hierin die bessere Alternative zu Verboten: „Dazu setzen wir auf marktwirtschaftliche Instrumente, auf Anreize statt auf Verbote, auf Innovationen und Wettbewerb“, heißt es im Wahlprogramm. Erneuerbare Energien sollen weiter ausgebaut werden, jedoch nur im Einklang mit den Interessen der Wirtschaft oder beispielsweise Anwohnern. Ferner müsse Deutschland Wasserstoff-Land Nummer 1 werden.

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SPD: Klimawandel-Stopp als Menschheitsaufgabe

Auch die Sozialdemokratie setzt auf eine Klimaneutralität Deutschlands bis 2045. Ergänzt wird diese Position um die Forderung, bereits 2040 die Stromversorgung Deutschlands zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu decken. Dabei berücksichtigen die Sozialdemokraten ausdrücklich im Wahlprogramm, dass der Strombedarf weiter steigen wird, unter anderem durch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte. Um dies zu erreichen, müsse der Ausbau der Erneuerbaren massiv vorangetrieben werden. Beispielsweise müsse zukünftig auf jedem geeigneten Dach eine Photovoltaik-Anlage installiert sein.
Das Verkehrssystem müsse ebenfalls grüner werden. Wasserstoff als Antriebstechnologie der Zukunft spielt im sozialdemokratischen Wahlprogramm eine große Rolle. Auch ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen soll zur Mobilitätswende beitragen.

Mit Blick auf die Finanzierung fordert auch die SPD, die EEG-Umlage abzuschaffen. Mehrkosten müssten durch die CO2-Bepreisung finanziert werden. Die CO2-Bepreisung, auch CO2-Steuer genannt, gibt es seit Januar 2021 für den Verkehrs- und Wärmebereich. Entlastungen an anderer Stelle sollen den anziehenden CO2-Preis sozial verträglich gestalten.

AfD: CO2 ist Voraussetzung für alles Leben

Von allen anderen Programmen unterscheidet sich das der Alternative für Deutschland besonders deutlich. Den Klimawandel leugnet die AfD nicht, hält aber den anthropologischen, also menschenverursachten Anteil hieran für nicht bewiesen. Stattdessen sei das Klima aller Wahrscheinlichkeit nach einer natürlichen Schwankung unterworfen. Insofern hält die AfD auch nichts von der Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Klimaneutralität. Im Gegenteil, sie sieht hierin Gefahren für die Bezahlbarkeit und Stabilität der Energieversorgung. Aus diesem Grunde spricht sie sich auch für eine Beibehaltung der Kohleverstromung und eine Laufzeitverlängerung der aktiven Kernkraftwerke aus. Mehr noch: „Die AfD tritt ein für die Neueinrichtung von sicheren Kernkraftwerken, um Energieknappheit für den Industriestandort Deutschland und seine Bürger zu vermeiden“, steht im Wahlprogramm.

FDP: „Klimaschutz durch Innovation“

„Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Packen wir es richtig an, kann er aber auch zu einer unserer größten Chancen werden“, befinden die Liberalen in ihrem Wahlprogramm. Den EU-Emissionshandel wollen die Freien Demokraten auf die Sektoren Verkehr und Gebäude (Wärme) ausweiten und sehen in einem globalen Emissionshandel einen geeigneten Hebel, um weltweit effektiv Emissionen zu senken. Die FDP bekennt sich zum Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015, bis 2050 klimaneutral zu werden. „Der Weg kann und muss in Deutschland und Europa starten, er ist aber erst beendet, wenn alle Emissionen weltweit einen einheitlichen marktwirtschaftlichen CO2-Preis haben.“ Um den Klimawandel noch effektiver zu bekämpfen, fordern auch die Liberalen, CCS-Technologien zu etablieren.

Mit Blick auf die Verkehrswende fordern die Liberalen Technologieoffenheit. Statt sich ausschließlich auf Elektromobilität zu versteifen, müssten auch andere Lösungen bedacht werden. Als Beispiele nennt die FDP synthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff. Im Wahlprogramm heißt es: „Wir Freie Demokraten sind gegen unverhältnismäßige Verbote in der Mobilität. Wir setzen auf Innovationen, Vernunft und Freiheit. Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote sind weder progressiv noch nachhaltig.“ Teure Subventionen, wie beispielsweise bei E-Autos, würde es mit den Liberalen nicht geben, heißt es des Weiteren.

Die Linke: „Sozialökologischer Systemwechsel“

Für die Linke ist Klimaschutz „die große Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts“. Dementsprechend ambitioniert sind Ziele und Maßnahmen aus dem linken Wahlprogramm: „Um das Klima zu retten, müssen erneuerbare Energien bis 2035 das System der fossilen Energien ersetzen.“ Auch die gesamte Wirtschaft müsse bis 2035 klimaneutral umgebaut werden. Dementsprechend fordert die Linke, bereits 2030 (und nicht 2038) aus der Kohleverstromung auszusteigen. Energiekonzerne müssten entmachtet und verstaatlicht werden, um diese Ziele sicher zu erreichen – so heißt es im Wahlprogramm. Auch Strom- und Wärmenetze müssten, ginge es nach der Linken, in die öffentliche Hand übertragen werden. Den Emissionshandel hingegen hält die Linke für unbrauchbar. Ebenso lehnt sie CCS-Technologien ab.

Mit Blick auf die Mobilitätswende fordern die Linken ein generelles Tempolimit für Autobahnen von 120 km/h, für Landstraßen von 80 km/h und innerorts von 30 km/h. Ferner müsse der öffentliche Personennahverkehr langfristig kostenlos werden. Der städtische Lieferverkehr müsse öffentlich organisiert werden.

Bündnis 90/Die Grünen: „Existenzfrage unserer Zeit“

Für die Grünen bildet das Pariser Klimaabkommen von 2015 die Richtschnur allen politischen Handelns. Die Arbeit aller Ministerien müsse an dem Ziel ausgerichtet werden, die Erderwärmung bis 2050 auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Für die Grünen ist klar: „Klimaschutz ist so viel mehr als reine Technik, er ist der Weg in eine bessere Zukunft.“ In diesem Sinne fordern die Grünen auch, den Klimaschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.
Als wichtigste Maßnahmen benennen die Grünen den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die CO2-Steuer. Die CO2-Steuer müsse ab 2023 60 Euro statt derzeit 25 Euro pro Tonne ausgestoßenem Treibhausgas betragen, fordern die Grünen. Im europäischen Emissionshandel sehen sie einen weiteren Baustein, der aber dringend reformiert werden müsse. Außerdem müsse die Kohleverstromung in Deutschland bereits 2030 beendet werden, nicht erst 2038. Der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft im grünen Klimaschutz, diesen wollen die Grünen ab 2030 verbieten. Auch innerdeutsche Flüge sollen nach dem Willen der Grünen unattraktiv gemacht werden. In der Wasserstoff-Technologie sehen die Grünen einen weiteren, wichtigen Baustein, um die Energiewende im Verkehrssektor herbeizuführen. Die durch solche Maßnahmen entstehenden Mehrkosten wollen die Grünen durch ein „Klimageld“ kompensieren, das jedem Bürger ausgezahlt werden soll.

Die Bilanz

Die meisten Parteien – abgesehen von AfD und FDP – überbieten sich mit ambitionierten Forderungen, Deutschland schnell klimaneutral zu machen. Insbesondere Grüne und Linke fordern einen möglichst raschen und tiefgreifenden Wandel. Dieser Wandel soll nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft und ihren Lebensstil erfassen. Denn der Klimawandel sei die „Überlebensfrage“, „Existenzkrise“, „Menschheitsaufgabe“ oder „größte Herausforderung“ unserer Zeit.

Thilo Schaefer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hat die ambitionierten Pläne aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht für diese Zeitung eingeordnet. Den Kohleausstieg bereits 2030 vorzuziehen, sieht er skeptisch: „Die Kohleverstromung hat zwar einen wesentlichen Anteil an den CO2-Emissionen. Ein nationaler Ausstieg trägt aber nur dann wirklich zu einer Vermeidung von Emissionen bei, wenn die Kohleverstromung tatsächlich durch CO2-ärmere Alternativen ersetzt werden kann. Wenn die deutsche Kohleverstromung zurückgeht, aber weitgehend durch den Import von Kohlestrom aus den Nachbarländern ersetzt wird, werden Emissionen nur verlagert und für den Klimaschutz nichts gewonnen.“

Bei der Wahl der Mittel zur Vermeidung von Emissionen ist der Klimaschutzexperte vom IW sicher: „Der Emissionshandel (EU-ETS) begrenzt die Emissionen in der Industrie und Energiewirtschaft und hat sich als Instrument zur effizienten Steuerung bewährt.“ Es sei folgerichtig, den Emissionshandel nun in weiteren Sektoren anzuwenden. Würde es gelingen, das System weltweit auszudehnen, würde der Emissionshandel noch effizienter werden, analysiert Schaefer.


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