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Der rührige Herr Abbas ist wieder da

Unter den Palästinensern hat ihr „Präsident“ wenig Rückhalt, aber auf dem internationalen Parkett weiß er noch immer zu punkten.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas
Foto: IMAGO/Alexei Maishev (www.imago-images.de) | Mahmud Abbas hat sich mit seinen Reisen nach Moskau und Ankara neuerlich als geschickter Lobbyist der palästinensischen Interessen erwiesen

Alle scheinen damit beschäftigt, an der Eskalationsschraube rauf- und runterzudrehen. Die Tagesereignisse halten die Akteure in Nahost in ihrem Bann. Einer aber scheint längerfristig zu agieren: Der vielfach abgeschriebene Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. Eigentlich fehlt ihm seit eineinhalb Jahrzehnten jegliche Legitimation, denn Abbas lässt seit 2008 nicht mehr wählen. Zu groß schien ihm – gewiss nicht ohne Grund – das Risiko, die Wahlen zu verlieren. Und so regiert er eben ohne demokratische Legitimation die Autonomiegebiete im Westjordanland: vielfach kritisiert, gedemütigt und verspottet.

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Mag die terroristische Hamas unter den Palästinensern populärer sein, mag die von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu geförderte Siedlerbewegung das Westjordanland immer weiter zersiedeln, mag das amtliche Israel Abbas auch demütigen, mögen Beobachter ihn als Präsident von Ramallah und Umgebung verhöhnen. Auf dem internationalen Parkett ist Abbas immer noch trittsicher.

Als Lobbyist in Moskau und Ankara

Das beweisen seine aktuellen Reisen nach Moskau und Ankara. Wladimir Putin, der derzeit in der Ostukraine und in Westrussland mehr als nur Probleme hat, empfing Abbas und bekannte sich öffentlich zu einem „vollgültigen palästinensischen Staat“. Kein Zweifel: Wie zuvor die Sowjetunion steht auch Putins Russland im Nahostkonflikt auf der Seite der Palästinenser. In Ankara konnte sich Abbas die volle Rückendeckung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abholen. Dessen Unterstützung für die palästinensische Sache war seit 2009 klar, wurde aber bisher weniger Abbas als der Hamas zugeschrieben.

Der alte Fuchs aus Ramallah hat sich mit seinen Reisen nach Moskau und Ankara neuerlich als geschickter Lobbyist der palästinensischen Interessen erwiesen. Vor allem aber hat er sich selbst als Akteur für eine Verhandlungslösung nach dem aktuellen Krieg im Spiel gehalten. Vielen – auch vielen Palästinensern – mag das missfallen, aber mit Abbas ist noch immer zu rechnen.

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Stephan Baier Benjamin Netanjahu Hamas Mahmud Abbas Recep Tayyip Erdoğan Terrorismus Wladimir Wladimirowitsch Putin

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