Noch immer kontrolliert die Hamas die Hälfte des Gazastreifens, und ihre Entwaffnung hat noch nicht einmal begonnen. Die Terrororganisation warnt davor, dass eine internationale Friedenstruppe dem Gazastreifen „eine internationale Vormundschaft“ aufzwingen werde; sollte diese sich mit Israel abstimmen, werde sie zu einem Instrument, „das der Besatzung dient“. Offenbar ist der Hamas der klägliche Rest eigener Macht wichtiger als ein kleiner Schritt in Richtung einer palästinensischen Staatlichkeit. Diese sollte eigentlich er repräsentieren: der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, der vor wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag feierte. Doch dem „Präsidenten“, der vor fast 21 Jahren zuletzt gewählt wurde, also seit bald 17 Jahren ohne demokratische Legitimation amtiert, ist nicht nur die Kontrolle über den Gazastreifen längst entglitten. Auch im zersiedelten Westjordanland hat er nicht mehr die Macht, die drängendsten Probleme auch nur zu moderieren.
Hier leben 700.000 israelische Siedler unter drei Millionen Palästinensern; allein im Oktober registrierte das UN-Menschenrechtsbüro 260 Siedler-Angriffe, von Attacken auf Olivenhaine bis zum Abfackeln einer Moschee.
Abbas und seine Verbindung zu Russland
Israels Regierung fördert die Ausdehnung der Siedlungen und ignoriert weithin die Gewalt, auch wenn Premier Benjamin Netanjahu nun „kraftvolle Maßnahmen“ verspricht. Nicht nur die Radikalen in seiner Regierung, auch Netanjahu selbst, Außenminister Saar und Verteidigungsminister Katz lehnen einen Palästinenserstaat westlich des Jordan prinzipiell ab. Wer wie viel Schuld am Scheitern der Langzeitvision einer Zweistaatenlösung hat, sollen die Historiker im Rückblick analysieren; aktuell findet jeder reichlich Haare in der Suppe aller anderen.
Der 90-jährige Abbas wird die Verwirklichung seines Traums nicht mehr erleben. Ob seine Palästinenser in diesem oder jenem Landesteil noch zu ihm stehen, will er gar nicht mehr wissen. Einzig auf der internationalen Bühne kann er noch Hände schütteln, Reden halten und so etwas wie die Hoffnung auf einen Palästinenserstaat verkörpern: vor der UN-Generalversammlung, bei Macron in Paris oder bei Wladimir Putin.
Zu Russland hat er auch eine lebensgeschichtliche Verbindung, denn Abbas studierte nicht nur Englische und Arabische Literatur sowie Rechtswissenschaften in Damaskus, sondern auch Geschichte in Moskau. 1982 wurde er in der Sowjetunion mit einer fragwürdigen Arbeit über „Zionismus und Nazismus“ promoviert. Da war er schon Jassir Arafats Stellvertreter. Ohne das, was die Hamas „internationale Vormundschaft“ nennt, wird auch Abbas nicht mehr Bewegung in den Friedensprozess bringen können. Er verantwortet nicht das ganze Problem, ist aber auch nicht mehr Teil einer Lösung.
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