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Der Mythos vom „Kreuzritter Putin“

Entgegen der bei manchen konservativen Katholiken noch vorherrschenden These eines „christlichen“ russischen Herrschers, der traditionelle Ehe- und Familienvorstellungen verteidige, rückt das Crisis Magazine die wahren Tatsachen in den Mittelpunkt.
Russlands Staatschef Wladimir Putin lässt kaum einen Kirchenfeiertag aus
Foto: Alexei Druzhinin (Pool Sputnik Kremlin/AP) | Russlands Staatschef Wladimir Putin lässt kaum einen Kirchenfeiertag aus, um sich in einem Gotteshaus zu zeigen. Wie aufrichtig der Glaube des Ex-Kommunisten ist, weiß wohl nur er selbst.

Manche konservativen Katholiken hätten Russland als potentiellen Verbündeten bei ihrem Kampf gegen ehe- und familienfeindliche Tendenzen in den westlichen Gesellschaften in Erwägung gezogen, heißt es in einem Beitrag des katholischen Crisis Magazine. Angesichts der russischen Invasion der Ukraine lohne sich jedoch eine nähere Betrachtung.

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Vergleich der Werte

Es stimme zwar, dass Präsident Putins Russland die Familie und die traditionelle Ehe verteidige, doch das Gleiche tue auch die Ukraine von Präsident Selensky. Beide Länder verhielten sich ähnlich im Hinblick auf „Schwulenrechte“ und beide lehnten die gleichgeschlechtliche „Ehe“ vehement ab. Beim Thema Abtreibung allerdings zeigten sich beide Länder sehr offen gegenüber einer Legalisierung: „Russland hat die weltweit höchste Abtreibungsrate pro Kopf, während Präsident Selensky Abtreibungen in der Ukraine leichter zugänglich machen möchte“, gibt Crisis zu bedenken. Selensky wolle darüber hinaus Prostitution und andere unmoralische Praktiken legalisieren. Obwohl Prostitution auch in Russland illegal sei, werde sie nur mit einem geringen Bußgeld geahndet. Prostitution sei in Russland „äußerst beliebt und wird von Präsident Putin selbst gelobt“.

Somit verträten beide Länder in manchen Fragen zwar ähnlich christliche und auch weniger christliche Positionen. Dennoch höre man oft, dass Russland ein christliches Land sei, als ob dies für die Ukraine nicht in dem Maße gelte. Zudem höre man Rechtfertigungen für Russlands Aggression „als einer Art christlichen Kreuzzugs gegen den westlichen Atheismus. Doch eine solche Perspektive entspricht nicht den Tatsachen. Darüber hinaus und vor allem ist Russland weniger katholisch als die Ukraine. Die Ukraine hat nicht nur einen höheren prozentualen Anteil an Katholiken (circa 7,8 % gegenüber 0,5 %), sondern auch zahlenmäßig mehr Katholiken (etwa 3.354.000 gegenüber 717.100)“.

Katholische Ukrainer

Zudem sei die Ukraine Heimat für die größte katholische Ostkirche, die Ukrainische griechisch-katholische Kirche. Ihre ehemalige Mutterkirche liege in Lemberg (Lwiw), wo die Vereinigten Staaten sowie viele westliche Verbündete ihre Botschaften angesiedelt hätten. Zwei weitere Oblasten (Provinzen) in der Westukraine seien ebenfalls mehrheitlich katholisch: „Lemberg war und ist noch immer Heimat für die römisch-katholische Kirche (lateinischer Ritus) und die armenisch-katholische Kirche in dieser Region der Ukraine“, stellt das katholische online-Portal weiter fest. Die Ukrainische griechisch-katholische Kirche sei nicht nur die größte katholische Ostkirche, sondern gehe zudem unmittelbar auf die Christianisierung der Kiewer Rus als eine der Nachfolgerkirchen nach der Bekehrung des heiligen Fürsten Wladimir I. von Kiew zum Christentum im Jahr 988 zurück: „Daher sind die Ukrainer katholisch tief verwurzelt“.

Neben der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche gebe es in der Ukraine auch noch die Ruthenische griechisch-katholische Kirche. Diese Kirche könne ihre Ursprünge auf die Heiligen Cyrill und Method zurückverfolgen, die die Slawen von Großmähren 863 zum Christentum bekehrten. In Russland jedoch gebe es keine bedeutenden Städte oder Regionen, in denen die Russische griechisch-katholische Kirche eine wichtige Rolle spiele, erklärt Crisis weiter.

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Russische Märtyrer

Man könne also sehen, „dass es eine tiefe Verbundenheit zwischen den Ukrainern und der katholischen Kirche gibt, die in Russland nicht vorhanden ist. Die ukrainischen Katholiken und ihre Landsleute strebten nach Unabhängigkeit von den Missbräuchen, die die von Russland angeführten Reiche im Laufe der Jahre am ukrainischen Volk begangen hatten. Nehmen Sie einfach die katholischen Geistlichen in der Sowjetunion beispielsweise. Es gab unter ihnen viele Märtyrer und Bekenner, wie etwa 128 Bischöfe und Ordensfrauen der Ruthenischen griechisch-katholischen Kirche, die in die Gulags geschickt wurden, sowie 36 Ruthenische griechisch-katholische Priester, die ermordet wurden“.

Katholische Länder im Visier

Von 1946 bis 1989 sei die Ukrainische griechisch-katholische Kirche von der Sowjetunion verboten worden. 2014 seien viele katholische Geistliche gezwungen worden, die Krim nach der russischen Übernahme zu verlassen. Katholische Länder wie Polen, Ungarn und die Slowakei „könnten bei einem russischen Angriff als nächste an der Reihe sein“, meint Crisis. Darüber hinaus lägen weitere katholische Länder wie Kroatien und Slowenien nur einen Steinwurf weit entfernt: „Für Katholiken ist die Bedrohung durch Russland sehr real, nicht nur innerhalb Russlands. Wenn konservative Katholiken eine katholischere Welt ersehnen, dann sollten wir alles tun, was wir können, um die Ukraine zu unterstützen, eines der wenigen Länder mit einem wahrhaft katholischen Erbe“. DT/ks

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