Die anglikanische „Kirche von England“ hat bald ein neues Oberhaupt – und die Personalie sorgt innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft für geteilte Reaktionen. Denn Sarah Mullally, 63, bisher Bischöfin von London, ist nun nicht nur designierte allererste Erzbischöfin von Canterbury, sondern steht auch, wie der „Catholic Herald“ berichtet, innerhalb der „Church of England“ eher für progressive Anliegen. Mullallys Vorgänger, Justin Welby, war wegen seines Umgangs mit Missbrauchsfällen im November 2024 zurückgetreten. Seit Januar 2025 war der Bischofsstuhl vakant.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, Kardinal Vincent Nichols, begrüßte die Entscheidung für die gelernte Krankenschwester Mullally mit den Worten, sie bringe „viel persönliches Talent und Erfahrung“ für ihre neue Rolle mit. Die Herausforderungen und Chancen seien „viele und schwerwiegende“. „Im Namen unserer katholischen Gemeinschaft versichere ich ihr unser Gebet“.
Teils weniger erfreut reagierten anglikanische Gemeinschaften im Rest der Welt, denen der Erzbischof von Canterbury traditionell als „primus inter pares“, also Erster unter Gleichen, gilt. Die „Gafcon“, ein Zusammenschluss konservativerer anglikanischer Gemeinschaften, der nach eigenen Angaben die Mehrheit aller Anglikaner vertritt, veröffentlichte auf ihrer Website ein auf den gestrigen Freitag datiertes Schreiben, in dem es heißt, man nehme die Entscheidung für Mullally mit „Trauer“ auf. „Diese Ernennung lässt die Anglikaner weltweit im Stich, da die Kirche von England einen Anführer gewählt hat, der eine bereits gespaltene Gemeinschaft weiter spalten wird.“ Man sei der Meinung, so der unterzeichnende vorsitzende Erzbischof von Ruanda, Laurent Mbanda, dass die Bibel ein rein männliches Episkopat vorschreibe. Zudem habe Mullally wiederholt „unbiblische und revisionistische Lehren bezüglich der Ehe und der Sexualmoral“ verbreitet. Als Beispiel nennt die Gafcon die Unterstützung Mullallys für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in der Kirche von England.
Keine Lebensschützerin
Dem „Catholic Herald“ zufolge unterstützt Mullally derzeit jedoch die geltende Position der englischen Anglikaner, nach der die Ehe ein Bund zwischen Mann und Frau ist. Sie habe allerdings pro-LGBT-Initiativen unterstützt. Zudem sei sie bislang keine „Pro-Life“-Fürsprecherin gewesen; andererseits habe sie sich kritisch zum derzeit im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetz zum assistierten Suizid gezeigt.
Mullallys Amtsantritt als 106. Erzbischöfin von Canterbury ist für März 2026 geplant. Premierminister Keir Starmer und König Charles III. haben die Nominierung bereits begrüßt. Mullally selbst wird in der offiziellen Mitteilung der Church of England mit den Worten zitiert, sie wolle „ganz einfach die Kirche ermutigen, weiterhin Vertrauen in das Evangelium zu entwickeln, von der Liebe zu sprechen, die wir in Jesus Christus finden, und dass diese Liebe unser Handeln prägt.“ In einem ersten öffentlichen Statement nach Bekanntwerden ihrer Nominierung am gestrigen Freitag nahm die künftige Erzbischöfin zudem Bezug auf den Anschlag auf eine Synagoge in Manchester, bei dem zwei Menschen getötet worden waren. „Hass und Rassismus“, so Mullally, „können uns nicht entzweien“. (DT/jra)
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