Das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ist am heutigen Mittwoch zurückgetreten. In einem kurzen Statement sagte Welby, er glaube, dass es im besten Interesse der Kirche von England liege, beiseite zu treten. Welby war in die Kritik geraten, nachdem vergangene Woche ein Missbrauchs-Untersuchungsbericht erschienen war, der Welby schwer belastete, der sogenannte „Makin Report“. Eine Petition, die Welbys Rücktritt forderte, war nach einem Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur über 11.000 mal unterschrieben worden.
Dem Bericht zufolge habe der 2018 verstorbene Jurist John Smyth in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren über 100 Kinder und junge Männer sexuell, physisch und psychisch misshandelt. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren soll er seine Tätigkeit als Helfer in kirchlichen Jugendcamps ausgenutzt haben, um sich an seinen Opfern zu vergreifen. Wie der ehemalige anglikanische Bischof Gavin Ashenden im „Catholic Herald“ schreibt, habe Smyth junge Knaben in einem schalldichten Schuppen „im Kontext geistlicher Anleitung“ geschlagen, „bis sie bluteten“.
Was wusste Welby?
2013 sei Welby, bereits Erzbischof, offiziell von Smyths Vergehen informiert worden. Welby selbst erklärte in seinem heutigen Statement, man habe ihm 2013 gesagt, die Polizei sei informiert. Ashenden zufolge soll Welby damals hingegen nicht gehandelt haben – was die Frage aufwerfe, wie viel er gewusst habe. Welby habe Smyth gekannt, sei ihm auch während der betreffenden Jahre von Smyths Missbrauch nachweislich zweimal begegnet. Sein Büro sei „direkt verantwortlich“ für das mangelnde Interesse an Aufklärung, dass sich auch an jahrelang verschobenen Veröffentlichung des Berichtes zeige.
In seiner Rücktrittserklärung sagte Welby nun, sein Rücktritt erfolge „in Trauer mit allen Opfern und Überlebenden von Missbrauch.“ Die letzten Tage hätten sein „seit langem empfundenes und tiefes Gefühl der Scham über die historischen Versäumnisse der Kirche von England im Bereich des Schutzes erneuert“. Es sei „sehr klar“, so Welby weiter, dass er „persönlich und institutionell“ Verantwortung für die „lange und retraumatisierende Zeit zwischen 2013 und 2024“ – seine Amtszeit – übernehmen müsse.
Noch letzte Woche hatte Welby einen Rücktritt abgelehnt. Die Position des Erzbischofs von Canterbury ist in Großbritannien nicht nur ein geistliches Amt, sondern auch für das politische Zeremoniell wichtig – unter anderem krönt er die englischen Könige. Es wird erwartet, dass die Suche nach einem Nachfolger Monate in Anspruch nimmt. (DT/jra)
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