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Den Mord an Charlie Kirk nicht instrumentalisieren

Politische Gewalt, auch tödliche, gibt es in den USA von links wie von rechts. Beide Auswüchse muss Trump gleichermaßen bekämpfen, ob ideologisch opportun oder nicht.
Nach dem Mord an Charlie Kirk
Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire | Es besteht die Gefahr, dass die US-Regierung den Mord an Charlie Kirk instrumentalisiert, um die Gegenseite zu unterdrücken und selbst politisches Kapital daraus zu schlagen.

Um ihn ist es nicht schade; das hat man davon, wenn man für ein Recht auf Waffenbesitz eintritt; wer radikale Positionen verbreitet, muss mit radikalen Handlungen rechnen: Mit diesen Worten lassen sich grob die verabscheuungswürdigen Reaktionen auf den Mord an Charlie Kirk zusammenfassen, die man in Deutschland, in Amerika und in anderen Ländern der Welt fassungslos lesen musste. Jede einzelne Behauptung, mag sie implizit oder explizit sein, derzufolge der konservative Podcaster und Aktivist den Tod verdient habe, ist eine zu viel. Genauso, wie jedes Mordopfer eines zu viel ist – völlig unabhängig von der politischen Gesinnung. 

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Das sollten eigentlich selbstverständliche Feststellungen sein. Da manche nach dem Mord an Kirk jeglichen Anstand, ja jegliche Menschlichkeit vermissen ließen, muss man es an dieser Stelle noch einmal wiederholen. Gleichzeitig darf man nicht unterschlagen, dass es auch eine ganze Reihe von linken beziehungsweise demokratischen Politikern, Kommentatoren und Podcastern gab, die zwar weltanschaulich kaum Schnittmengen mit Kirk aufweisen, den Mord dennoch ausdrücklich verurteilten. Und betonten, Gewalt könne nie ein Mittel im politischen Streit sein.

Wer deeskaliert, wer gießt Öl ins Feuer?

Aber hilft es überhaupt weiter, die Reaktionen nur nach dem Links-Rechts-Schema zu bewerten? Schließlich befinden sich die USA in einer äußerst prekären Lage, zutiefst gespalten, bis auf die Zähne bewaffnet und in Teilen zu allem bereit. Die Frage ist doch vielmehr: Welche Äußerungen tragen dazu bei, das politische Eskalationspotenzial zu reduzieren, Spannungen abzubauen und Gräben zu überwinden? Und welche Äußerungen gießen vielmehr Öl ins Feuer? 

In die zweite Kategorie fallen leider einige Bemerkungen des US-Präsidenten Donald Trump und weiterer Regierungsmitglieder in den Tagen nach Kirks Ermordung. Freilich hat man im Zentrum des MAGA-Lagers einen herben Verlust hinzunehmen. Für Trump und Teile seines Umfelds handelt es sich nicht nur um einen politischen, sondern um einen persönlichen Verlust. Kirk stand dem US-Präsidenten und seiner Familie sehr nahe. Man kann behaupten, Trump hat einen Mitstreiter, Weggefährten und Freund verloren.

Als US-Präsident muss er aber als Vertreter des gesamten amerikanischen Volkes auftreten. Wenn nun Trump, sein Vizepräsident J.D. Vance oder sein stellvertretender Stabschef Stephen Miller behaupten, die Demokraten seien eine „extremistische“ Organisation, und von einer inländischen linken „Terrorbewegung“ sprechen, die man mit allen Mitteln bekämpfen werde, gibt das doch zu denken. 

Radikale Flügel gibt es auf beiden Seiten

Zweifellos, auch im Umfeld der demokratischen Partei gibt es Anhänger radikalen Gedankenguts, die Gewalt nicht ablehnen, ja sogar begrüßen. Das zeigen ja nicht zuletzt einige der Reaktionen auf die Ermordung Kirks. Wenn den Strafverfolgungsbehörden belastbare Hinweise auf staatsfeindliche, ja sogar terroristische Aktivitäten und Netzwerke im linken Spektrum vorliegen, gilt es selbstverständlich, diesen zu folgen, Gewalttäter aus dem Verkehr zu ziehen und die Stabilität der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten.

Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die US-Regierung den Mord an Charlie Kirk instrumentalisiert, um die Gegenseite zu unterdrücken und selbst politisches Kapital daraus zu schlagen. Attentate – ob vereitelte, gescheiterte oder leider erfolgreiche – wurden zuletzt auf linke wie auf rechte Politiker verübt. Man mag, wie Vizepräsident Vance, der Ansicht sein, die Gewalt von links stelle ein größeres Problem dar als die von rechts. Fakt ist: Auf beiden Seiten haben sich in den letzten Jahren zunehmend radikale, extreme Flügel gebildet, die den Diskurs vergiften und den gesellschaftlichen Frieden gefährden. Ein offensichtliches Übergewicht linker oder rechter Gewalt gibt es nicht. 

Ob ideologisch opportun oder nicht: Beide Ausprägungen muss die Regierung bekämpfen. Unvoreingenommen und schonungslos. Trump wird sich und seine zweite Amtszeit daran messen lassen müssen, ob ihm das gelingt. Noch ist es nicht zu spät. 

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Maximilian Lutz Donald Trump J. D. Vance Terrorismus US-Regierung

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