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Beispiellose Kritik: Landgericht Bonn nennt Trump-Regierung „rechtsextremistisch-populistisch“

In bemerkenswerter Schärfe urteilt ein deutscher Richter über die US-Administration – und gibt noch einen Exkurs in Sachen Rechtsextremismus. Der US-Botschafter in Berlin dreht den Spieß um.
Bonner Landgericht geht hart mit US-Regierung in die Kritik
Foto: IMAGO/Pool/ABACA (www.imago-images.de) | Ein Richter am Landgericht Bonn sieht „anti-demokratische", „anti-rechtsstaatlich", und „autokratisch bis faschistischen Tendenzen" bei der aktuellen US-Regierung von Donald Trump und seinem Vize J.D. Vance.

Es handelt sich um einen bislang wohl beispiellosen Fall der Kritik eines deutschen Gerichts an einer amtierenden US-Regierung: Das Landgericht Bonn, konkreter dessen 13. Zivilkammer, nennt die Trump-Administration in einem kürzlich veröffentlichten Urteil in bemerkenswerter Schärfe eine „rechtsextremistisch-populistische“ Regierung und unterstellt ihr deutlich „anti-demokratische“, „anti-rechtsstaatliche“ sowie „autokratisch bis faschistische“ Tendenzen. Darüber berichtete am Freitag zuerst der „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Die Urteilsschrift, die auch dieser Zeitung vorliegt, trägt das Aktenzeichen „13 O 156/24“ und ist auf den 3. Juni dieses Jahres datiert. In dem Fall, der dem Urteil zugrunde liegt, ging es allerdings nicht primär um die politischen Verhältnisse in den USA, sondern um eine unterstellte Verletzung datenschutzrechtlicher Ansprüche: Ein Nutzer eines nicht näher spezifizierten „internationalen sozialen Netzwerks“ eines US-Betreibers mit europäischem Tochterunternehmen hatte dagegen geklagt, dass seine personenbezogenen Daten in die USA übermittelt und auf dortigen Servern gespeichert werden. Zuvor hatte er Auskunft darüber verlangt, ob seine Daten von Dritten, insbesondere von US-amerikanischen Geheimdiensten, eingesehen werden – eine Information, deren Mitteilung der Betreiber des sozialen Netzwerks verweigert hatte.

Landgericht Bonn weist Klage ab – und zieht über US-Regierung her

Das Landgericht Bonn wies die Klage mit Verweis auf geltendes US-Recht ab. In seiner Urteilsbegründung beließ es der Einzelrichter jedoch nicht dabei, sondern kritisierte zunächst die Rechtslage zum Datenschutz in den USA, ehe er zu seiner Fundamentalkritik an der Regierung von US-Präsident Donald Trump ansetzte: Seit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden im Jahr 2013 sei bekannt, dass in den USA im Vergleich zur EU „ein nicht vorhandenes bis nur eingeschränktes Datenschutzrecht betreffend den einzelnen Bürger gilt“, insbesondere infolge der „weitreichenden Einschränkungen der Freiheitsrechte“ nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001.

Dies gebe die Aussagen des amtierenden US-Vizepräsidenten, J.D. Vance, im Rahmen seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025, wonach angeblich die Freiheitsrechte der Bürger in Deutschland weniger geschützt seien als in den USA, „der Lächerlichkeit preis“, so der Richter. Tatsächlich hätten die USA die Datenschutzrechte ihrer eigenen Bürger, und erst recht ausländischer Staatsangehöriger, schon lange „auf dem Altar der (vermeintlichen) Sicherheit geopfert“ – anders als Deutschland und die weiteren EU-Staaten.

Seitdem bekannt geworden war, dass die USA auch die Telefonate verbündeter Staats- und Regierungschefs, wie beispielsweise der Altbundeskanzlerin Angela Merkel, abgehört hatten, habe der US-amerikanische Staat „wenig bis gar nichts“ dazugelernt, heißt es im Urteil des Landgerichts Bonn weiter. Dies überrasche jedoch nicht – „angesichts einer inzwischen offen rechtsextremistisch-populistischen Regierung in den USA unter ihrem aktuellen Präsidenten Donald Trump, die inzwischen sogar jahrzehntelange Bündniszusagen in Frage stellt, von denen auch die USA jahrzehntelang politisch und auch wirtschaftlich massiv profitiert haben, auch wenn sie das nicht (mehr) zugeben wollen (oder verstehen können)“, so der Richter wörtlich.

Deutlich „ autokratisch bis faschistische Tendenzen"

Und weiter heißt es: „Rechtsextremisten waren gerichtsbekannt immer schon die größten Feinde individueller Freiheit (der „Anderen“ bzw. Andersdenkenden), während sie sich zugleich ständig – die Lüge beharrlich wiederholend – als ihre angeblich größten Verteidiger gerieren, um das eigene (Wahl-)Volk irrezuführen. Daneben seien Rechtsextremisten „in aller Regel die korrupteste Sorte von Politikern, weil die ideologische Grundbasis des Rechtsextremismus unvernünftig übersteigerter (nationaler und individueller) Egoismus ist“.

Gleichzeitig ändere all dies nichts daran, dass die USA noch ein verbündeter Staat Deutschlands seien und „trotz der deutlich anti-demokratisch, anti-rechtsstaatlich, autokratisch bis faschistischen Tendenzen der aktuellen US-Regierung und trotz der erheblichen Defizite beim Schutz der Freiheits-, insbesondere Datenschutzrechte – noch – als rechtsstaatliche Demokratie anzusehen sind“, fährt der Richter fort.

Ein Sprecher der US-Botschaft in Berlin ging auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeigers“ nicht direkt auf das Urteil des Landgerichts Bonn ein, sondern erhob den Gegenvorwurf, dass in Deutschland Grundrechte wie die Meinungsfreiheit eingeschränkt würden. Zwar teilten die USA und Deutschland „westliche und demokratische Werte“. Mit Verweis auf die Münchner Rede von US-Vizepräsident Vance forderte der Botschaftssprecher aber dazu auf, „Zensurmaßnahmen und die Verfolgung politischer Gegner“ zu unterlassen und die freie Meinungsäußerung zu fördern.

US-Botschafter besorgt über Meinungsfreiheit in Deutschland

Wörtlich zitiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Botschaftssprecher: „Obwohl Deutschland über ein starkes demokratisches System verfügt, sind wir besorgt über die erheblichen gesetzlichen Einschränkungen der politischen Meinungsäußerung, darunter Gesetze gegen Hassrede und die strafrechtliche Verfolgung von Bürgern wegen Kritik an Regierungsvertretern.“ Deutsche Bürger sollten in der Lage sein, missliebige politische Ansichten, auch online, zu äußern, ohne dass sie Polizeibesuche fürchten müssten. Die US-Regierung, so der Botschaftssprecher, sei besorgt über das angebliche Potenzial eines „demokratischen Rückschritts“ in Deutschland. Dies begründete er mit dem Verweis auf die Diskussionen um ein mögliches Verbot „populärer Oppositionsparteien“, also der AfD.

Eine Sprecherin des Bonner Landgerichts wollte sich auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeigers“ nicht zu der ungewöhnlich harschen Kritik an der US-Regierung äußern, da man grundsätzlich keine Urteile kommentiere. Das nordrhein-westfälische Justizministerium zitiert die Zeitung mit den Worten, Richter würden in richterlicher Unabhängigkeit nach Artikel 97 des Grundgesetzes urteilen, „daher bewertet und kommentiert der Minister grundsätzlich keine Urteile oder Urteilsbegründungen“.

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Maximilian Lutz Alternative für Deutschland Donald Trump Edward Snowden J. D. Vance Terroranschläge am 11. September 2001 US-Regierung

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