Die Giordano Bruno Stiftung (gbs) liebt die große Inszenierung. Im Haus der Bundespressekonferenz orchestrierte die Denkfabrik der Atheisten Anfang der Woche eine Pressekonferenz der in Deutschland tätigen Sterbehilfeorganisationen, die durchaus auch als Kampfansage an den Deutschen Bundestag verstanden werden kann. Zumindest an jenen Teil, der sich nach Kräften müht, nach dem skandalösen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidhilfe vor rund zwei Jahren das Menschenmögliche aus der verfahrenen Situation zu machen.
Karlsruher Stiftung: „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“
Zur Erinnerung: Mit seinem Urteil vom 26. Februar 2020 hatte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz des damaligen Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ gewissermaßen erfunden und in den Rang eines Quasi-Grundrechts erhoben. Dem Gesetzgeber überließen die Karlsruher Richter die undankbare Aufgabe, ein Schutzkonzept zu erarbeitet, dass Menschen davor bewahren soll, von dem vom Ersten Senat gestifteten „Recht“ bei psychischen Krisen oder in anderen Notsituationen unüberlegt und vorschnell Gebrauch zu machen.
Moderiert wurde das Stelldichein der sich human dünkenden Todesengel, das unter der Überschrift „Zwei Jahre Karlsruher Urteil: Praktische Erfahrungen mit Sterbehilfe in Deutschland“ stand, von der ehemalige SPD-Finanzexpertin und gbs-Beirätin Ingrid Matthäus-Maier. Die inzwischen 76-Jährige warnte ziemlich unverblümt ihre ehemaligen Abgeordneten-Kollegen vor einer gesetzlichen Neuregelung der Suizidhilfe und drohte offen mit einem erneuten Gang nach Karlsruhe.
Traurige Leistungsschau: 346 Selbsttötungen ermöglicht
Wie nötig eine solche Neuregelung jedoch ist, zeigte die von den Sterbehilfeorganisationen vorgestellte „Leistungsschau“. Denn es ist keineswegs wenig, was die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Dignitas-Deutschland und der Verein Sterbehilfe im vergangenen Jahr zu Wege gebracht haben und nur vorwiesen. 129 Menschen hat allein der von Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch gegründete Verein Sterbehilfe (vormals: „Sterbehilfe Deutschland“) 2021 bei einem Suizid in irgendeiner Weise begleitet. Darunter auch acht Menschen, die von dem Verein als „gesund“ eingestuft wurden sowie sieben, die den Angaben zufolge an einer psychischen Erkrankung litten. Dicht gefolgt von der DGHS, die 120 Menschen einen vermeintlich selbstgewählten Tod ermöglichte. Die deutsche Sektion der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas verhalf 2021 eigenen Angaben zufolge 97 Menschen zu einem Suizid. Damit gehen 346 organisierte Selbsttötungen auf das Konto der Sterbehilfevereine. Alle drei Sterbehilfeorganisationen ermöglichten zudem sogenannte Doppelsuizide, bei denen Paare gemeinsam den Tod wählen.
Drei Gesetzesentwürfe – Ethikrat arbeitet an Stellungnahme
Bislang haben Abgeordnete des Deutschen Bundestages drei verschiedene Gruppenanträge für eine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe vorgestellt. Wann diese debattiert werden, ist noch offen. Eine Arbeitsgruppe des Deutschen Ethikrats erarbeitet derzeit eine Stellungnahme des Rates zur Suizid-Problematik. Wann mit deren Veröffentlichung gerechnet werden kann, ist zur Zeit ebenfalls noch unklar.
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