„Eine natürliche oder juristische Person, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der In-vitro-Fertilisation erbringt“, soll im US-Bundesstaat Alabama – „ungeachtet anderslautender gesetzlicher Bestimmungen“ – künftig „straf- und zivilrechtliche Immunität“ genießen, soweit diese den „allgemein anerkannten Praktiken der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der In-vitro-Fertilisation folgt“. Das sieht eine Gesetzesvorlage (State Bill 160) vor, mit der das Repräsentantenhaus und der Senat auf das spektakuläre Urteil reagieren, mit dem der Oberste Gerichtshof des Südstaats erstmalig in der US-amerikanischen Rechtsgeschichte die Personenrechte tiefgefrorener Embryonen anerkannte.
Menschliche Embryonen sind Kinder
Unmittelbar nach Veröffentlichung des Urteils der Höchstrichter am 16. Februar stellten, angefangen bei der Universität von Alabama, so gut wie alle Anbieter künstlicher Befruchtungen in dem Südstaat binnen weniger Tage ihre Arbeit ein. US-amerikanische Medien berichteten von Frauen, die sich zur Fortsetzung begonnener Behandlungen in andere Bundesstaaten begeben haben sollen.
Die Richter hatten zu entscheiden, ob die Embryonen, die bei einem bizarr anmutenden Fall ums Leben gekommen waren unter den „Alabama’s Wrongful Death of a Minor Act“ (§ 6-5-391, Ala. Code 1975) fielen. Laut diesem Gesetz haben Eltern in dem US-Bundesstaat das Recht, Schadensersatzansprüche im Falle der „widerrechtlichen Tötung eines Minderjährigen“ geltend zu machen. In ihrem Urteil entschieden die Richter die Frage im Sinne der Kläger: Menschliche Embryonen sind Kinder, Kinder sind Personen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort.
Abstimmung gilt als reine Formsache
Der Gesetzentwurf, der von sechs Senatoren um den Republikaner Larry Stutts, einem Gynäkologen, nun in Windeseile erarbeitet und in das Parlament eingebracht wurde, wurde am Montag dieser Woche in Erster und am Donnerstag in Zweiter Lesung in beiden Kammern beraten. Wie die „Washington Post“ berichtetet, könnte die entscheidende Abstimmung bereits in der kommenden Woche erfolgen. In Kraft treten würde das neue Gesetz dann, sobald die republikanische Gouverneurin Alabamas, Kay Ivey, ihre Unterschrift unter seine Ausfertigung setzt. Beobachter halten beides nur noch für eine Formsache.
Wie die „Washington Post“ schreibt, habe der Gesetzesentwurf, für den es in beiden Kammern eine breite Mehrheit geben soll, gleichwohl eine „hitzige, hochemotionale Debatte“ ausgelöst. Demnach wies eine Minderheit der Senatoren und Abgeordneten etwa darauf hin, dass die Reproduktionsmediziner Embryonen selektierten und nicht für „optimal“ befundene vernichteten. Dass dies der Fall ist, sei von den Initiatoren des Gesetzesentwurf auch eingeräumt worden, wird aber vermutlich keine weiteren Folgen zeitigen: Das Blatt zitiert den Republikaner Stutts mit den Worten: „Wir könnten ein Gesetz erlassen, das die Anzahl der befruchteten Embryonen in einem Zyklus begrenzt. Aber ich glaube nicht, dass wir das gesetzlich regeln sollten. Ich spreche nicht über Moral, sondern über die Ausübung von Medizin.“ DT/reh
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