Vergangene Woche hat eine Gruppe von Parlamentariern um die Abgeordneten Lars Castelluci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grüne), Stephan Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser (FDP) und Kathrin Vogler (Die Linke) vor der Bundespressekonferenz in Berlin einen interfraktionell erarbeiteten Gesetzesentwurf zur gesetzlichen Neuregelung der Beihilfe zum Suizid vorgestellt. Der Grund: Am 26. Februar 2020 hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den bis dahin geltenden Paragrafen 217 Strafgesetzbuch mit dem Grundgesetz für unvereinbar und für "nichtig" erklärt. Seitdem ist jedem Einzelnen genauso wie Organisationen und Vereinen auch die "geschäftsmäßige", das heißt, auf Wiederholung angelegte Beihilfe zur Selbsttötung gestattet.
Assistierten Suizid ermöglichen, aber nicht fördern
Der 16-seitige Entwurf trägt den Titel "Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung". Er ist der dritte und zugleich restriktivste Gesetzesentwurf, mit dem Abgeordnete die von den Karlsruher Richtern kassierte Regelung aus dem Jahr 2015 zu ersetzen trachten. Zuvor war in Deutschland jede Form der Beihilfe zum Suizid gesetzlich erlaubt.
"Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern", erklärte der SPD-Abgeordnete Castellucci bei der Vorstellung des Entwurfs. Der Entwurf sieht vor, den getilgten Strafrechtsparagrafen neu zu fassen: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Damit die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht leerlaufen, listet der Gesetzesentwurf sodann in Absatz 2 zahlreiche Strafausschlussgründe auf.
Lässt man sich von der unter Juristen üblichen Gesetzestechnik nicht blenden, dann kann der Entwurf als ernstzunehmender Versuch betrachtet werden, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich die Ernsthaftigkeit und Freiverantwortlichkeit eines Sterbewunsches so zweifelsfrei wie möglich ermitteln lassen. Dazu sieht der Entwurf regelhaft zwei Untersuchungen durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von mindestens drei Monaten vor. Mit ihnen soll sichergestellt werden, dass bei Menschen, die einen Sterbewunsch äußern, "keine die autonome Entscheidungsfindung beeinträchtigende psychische Erkrankung vorliegt" und ihr Sterbeverlangen nach "fachlicher Überzeugung freiwilliger, ernsthafter und dauerhafter Natur ist".
Umfassendes, ergebnisoffenes Beratungsgespräch vorgesehen
Ferner sieht der Entwurf ein dazwischenliegendes "individuell angepasstes, umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch" vor, bei dem je nach Lebenssituation neben Ärzten auch Sucht- Schuldnerberater eingebunden werden können sollen. Dabei sollen nicht nur "Alternativen zur Selbsttötung", sondern auch "mögliche psychologische und physische Folgen eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuchs sowie soziale Folgen einer durchgeführten Selbsttötung" besprochen werden. Das Verfahren soll verkürzt werden können, wenn der den Sterbewunsch Äußernde an "einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fort geschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung" leidet.
Des Weiteren verbietet ein neuer § 217a "Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung". Absatz 1 schreibt vor: "Wer öffentlich in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Hilfe zur Selbsttötung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, anbietet, ankündigt, anpreist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Erhält der Entwurf die erforderliche Zahl an Unterstützern, könnte er bereits in der Sitzungswoche vom 14. bis 18. Februar in den Bundestag eingebracht werden.
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