Von Afrika bis Lateinamerika nehmen Übergriffe auf Christen zu: zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche Menschenrechtsorganisationen. Zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer von Gewalthandlungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung“ am 22. August erinnern sie an das Ausmaß der Verfolgung und fordern entschlossenes Handeln. „Zu lange hat die Welt das grausame Abschlachten von Christen ignoriert“, sagt Henrietta Blyth, Leiterin von Open Doors UK. Marta Petrosillo von „Kirche in Not“ unterscheidet drei Hauptformen der Verfolgung: staatliche Unterdrückung, Gewalt durch religiösen Extremismus und ethnisch-religiösen Nationalismus. In Afrika habe sich die Lage zuletzt dramatisch verschärft. Einst relativ stabile Länder wie die Demokratische Republik Kongo und Burkina Faso erlebten heute blutige Anschläge auf Gläubige. In Asien wachse der Nationalismus, im Nahen Osten sorg Instabilität für Unsicherheit, und auch in Lateinamerika seien Einschränkungen der Religionsfreiheit spürbarer. Hinzu komme das, was Papst Franziskus „höfliche Verfolgung“ genannt habe: der Versuch, Religion aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen.
Die Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Christen (OIDAC) verweist auf den kürzlich veröffentlichten Leitfaden „Understanding Anti-Christian Hate Crimes“ des OSZE-Menschenrechtsbüros (ODIHR): „Religiös motivierte Hassverbrechen werden häufig heruntergespielt oder politisch übersehen.“ Antichristliche Gewalt werde durch „politische Diskurse und Narrative“ genährt. OIDAC-Direktorin Anja Hoffmann fordert Regierungen auf, genauer hinzuschauen, bessere Daten zu erheben und gezielte Schutzmaßnahmen einzuleiten – insbesondere an christlichen Feiertagen. Auch die Medien seien gefordert, sachlich zu berichten und Vorurteile abzubauen.
Dramatische Zahlen aus Nigeria
Besonders dramatisch zeigt sich die Lage in Nigeria. Ein Bericht der Organisation „Intersociety“ nennt erschütternde Zahlen: Zwischen Januar und August 2025 wurden mindestens 7087 Christen getötet, fast 8000 entführt. Seit 2009 sind 185.000 Menschen im Land ums Leben gekommen, darunter 125.000 Christen. 19.100 Kirchen wurden zerstört, mehr als 1100 Gemeinden vertrieben. „Ziel der Terrorgruppen ist es, 112 Millionen Christen innerhalb der nächsten 50 Jahre aus Nigeria zu eliminieren“, warnt Emeka Umeagbalasi, Leiter von Intersociety.
Hinter den Zahlen verbergen sich Tragödien: Im Juni 2025 wurden im Dorf Yelewata 280 Menschen massakriert, im April in Sankera 72 Christen mit Macheten erschlagen. „Das sind verschwendete Menschenleben, keine bloßen Statistiken!“, betont Moses Aondover Iorapuu, Generalvikar und Pressesprecher der nigerianischen Diözese Makurdi. Erzbischof Ignatius Kaigama von Abuja warnt eindringlich vor der „zunehmenden Unsicherheit“, die das Land spaltet.
Immer wieder geraten staatliche Stellen in Verdacht, die Gewalt stillschweigend zu dulden. „Die Beendigung des Fulani-Terrorismus liegt in der Macht des Militärs, doch es fehlt der politische Wille“, sagt der ehemalige Gouverneursberater Franc Utoo. Internationale Hilfe bleibt bislang aus. „Es kommt einfach keine Hilfe“, klagt Pfarrer Iorapuu. Menschenrechtsgruppen kritisieren seit Jahren die Untätigkeit. Für die Familien der Opfer ist die Botschaft eindeutig: „Schutz ist nicht verhandelbar.“ (DT/jg)
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