Weihnachten ist das Fest der Kinder, welches wir mit Freude und Hoffnung feiern. Am Weihnachtstag werden wir mit ihnen und der ganzen Gemeinde dafür beten, dass Frieden in unserem Land und in allen Ländern einkehrt“, sagt Abbé Bertrand Sawadogo im Gespräch mit der „Tagespost“. Er ist Pfarrer im Norden von Burkina Faso, in der Gemeinde Bourzanga. Seit 2015 suchen Terroranschläge das Land heim. Im Juni 2019 wurden auch in Sawadogos Gemeinde Christen erschossen – weil sie ein Kreuz trugen.

„Dieser Vorfall hat uns nicht entmutigt, da wir sie als Märtyrer des Kreuzes Christi betrachteten“, äußert sich der Priester. „Ich kann sagen, dass der Glaube der Christen trotz allem kaum geschwächt wurde. Wenn wir Eucharistie feiern, ist die Kirche weiterhin voll. Die Christen bezeugen ohne Furcht ihren Glauben und ihre Nächstenliebe“, so der Priester. Zum Beispiel nun, zu Weihnachten. „Wir möchten vor allem für die Bedürftigsten ein Weihnachtsessen zubereiten (sofern wir die Mittel dafür haben). So können sie sich einmal richtig satt essen! Während der Weihnachtszeit machen die Kinder zusammen mit ihren Betreuern eine ,Dreikönigstour‘, bei der sie Familien besuchen, um ihnen die frohe Botschaft von der Geburt Jesu zu verkünden“, sagt er.
Keine Zeit, für uns selbst zu sorgen
„Da wir an Gott glauben und auf ihn hoffen, haben wir keine Zeit, uns um uns selbst zu sorgen. Wir sind entschlossen, uns ihm und denjenigen zuzuwenden, die von der Krise am stärksten betroffen sind – den Ärmsten! So veranlasst uns jede schwierige Situation, andere zu trösten und die Herzen zu beruhigen“, fährt er fort. Jede glückliche Situation sei eine Gelegenheit, sich mit anderen zu freuen. Dann komme auch der Frieden im Herzen: durch die Hoffnung, „dass morgen mit der Hilfe des Herrn und der Menschen guten Willens alles besser wird“.
Marguerita Kalassy ist Mitte 20 und im September dieses Jahres aus dem Libanon weggezogen, um in Paris zu studieren. Sie wohnte in dem Distrikt Keserwan, im Zentrum des Landes, 17 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Beirut. Auf deren Vororte flog Israel immer wieder Angriffe – und trotzdem sei der Krieg „geografisch gesehen weit weg“, wie Marguerita im Gespräch mit der „Tagespost“ erklärt.
„Die Lösung ist das Gebet“
Ihre Familie sei in Sicherheit, beteuert sie: „Niemand von meiner Familie wohnt direkt im Konfliktgebiet. Den Großteil der Christen trifft es nicht. Aber wir leiden mit den vielen vom Krieg betroffenen Menschen.“ Der Konflikt wirke sich unterschiedlich stark aus, sagt sie: „Menschen sind zu uns geflüchtet, aus den gefährlichen Gebieten. Ihnen geht es wirklich schlecht; die Situation ist sehr schmerzhaft für sie. Im Süden, in schiitischen Gemeinden, wurden viele Häuser zerstört. Wir haben die Menschen aufgenommen und auch Schulen haben ihnen ihre Türen geöffnet“, sagt sie.

Während im Hintergrund die Pariser Metro rauscht, spricht Marguerita weiter. Die Lösung sei das Gebet, betont sie immer wieder. Es gebe nichts, was das Gebet nicht lösen könne. „Ich habe keine Angst, solange ich bete und Gott mit mir ist. Wenn man Gott sagt, was passiert ist und was einen herausfordert, dann wird alles leichter“, so die maronitische Christin. 99 Prozent der Bewohner ihres Distrikts sind Christen, das letzte Prozent schiitische Muslime. „Der Frieden kommt von innen, von der Beziehung zu Gott und davon, den heiligen Geist anzurufen. Es geht darum, sich mit Gott bereit zu machen. Das ist alles.“
Die Zuversicht, mit der sie spricht, mag wohl auch durch das Vorbild ihrer Urahnen kommen. „Meine maronitischen Vorfahren haben während der Kriege viel gebetet. Sie baten die Gottesmutter um Fürsprache und beteten treu den Rosenkranz. Sie wussten ja, dass Gott seit der Zeit Abrahams sein Versprechen gehalten hat. Wieso sollte er nicht auch sie beschützen? Sie haben Wunder und Erscheinungen gesehen“, sagt sie. Es gebe keinen Grund, im Libanon zu verzweifeln. Das Land sei dem unbefleckten Herzen der Gottesmutter geweiht, sogar mehrfach. Es gebe viele Menschen, die der Kirche dienten. „Und die Kirche dient dem Frieden“, so Marguerita. Die Gemeinden organisieren Eucharistische Anbetung oder andere Veranstaltungen. Um für den Frieden zu beten, auch in den Nachbarländern.
„Man sieht also, wir Libanesen feiern immer, ob im Krieg oder anderen Krisensituationen. Und davon haben wir viele erlebt. Trotzdem genießen wir das Leben“, versichert Marguerita. Dieses Jahr kann sie Weihnachten nicht im Libanon feiern. Die Flüge waren zu teuer. „Ich musste lachen, als ich die hohen Preise gesehen habe. Da hätte ich früher buchen müssen. Aber auch in Paris gibt es maronitische Christen, mit denen ich feiern kann. So, als wären sie meine eigene Familie. In den Gemeinden hier gibt es darüber hinaus viele Weihnachtsveranstaltungen. Ich bin also nicht alleine. Und außerdem mache ich dann Video-Anrufe mit meiner Familie“, so die Libanesin.
In der Liebe Christi leben
im Nordirak. Ab 2014, der Hochphase des IS-Terrors, war seine Pfarrei mehr als fünf Jahre lang verantwortlich für 1200 vertriebene Familien aus der Niniveh-Ebene. Jesiden, Muslime, Araber, Syrer oder Christen – sie alle flohen vor dem IS. Und kamen in Schul- und Kirchgebäuden oder Containern unter. Andere Hilfsorganisationen halfen; Papst Franziskus entsandte damals Kardinal Fernando Filoni, um humanitäre Hilfe in den Nordirak zu bringen. Einige von ihnen sind geblieben, da ihre Regionen bis heute unsicher sind. Andere haben sich integriert oder sind in die Heimat zurückgezogen.

„Wir sind hier, um in der Liebe Christi zu leben. Er fordert uns auf, alle Menschen zu lieben. Wir helfen den verschiedenen Kulturen, sich zu verzeihen und zusammen in die Zukunft blicken zu können“, sagt Pater Samir im Telefonat mit der „Tagespost“. „Wir wollen den Familien ein gutes Zuhause geben, sodass sie möglichst nicht in Containern wohnen müssen. Kinder brauchen einen Ort, an dem sie gut schlafen, essen und spielen können, und eine Schule. Wir sehen Jesus Christus in den Gesichtern aller Kinder. Aber auch spirituelle und psychologische Hilfe ist wichtig, eine Atmosphäre, die Frieden bringt. Und, dass wir ihnen zeigen: Wir lieben sie, ob sie Christen sind oder nicht.“ Wenn sie zum Beispiel Essenskörbe austeilten, dann würden sie bei den Muslimen beginnen. Das sei eine wichtige Botschaft an die Muslime.
„An Weihnachten leben wir eine besondere Art von Spiritualität“, spricht der Pfarrer weiter aus mehr als zehn Jahren Erfahrung. „Dann Menschen bei sich aufzunehmen, erinnert an Jesus, der nach Ägypten fliehen musste. Maria und Joseph haben alles dafür getan, ihm eine gute Unterkunft zu verschaffen – die dennoch sehr bescheiden ausfiel. Dieses Bild ist für uns real geworden. Wir können den Kindern und Familien auch nicht viel bieten, aber zumindest eine saubere Unterkunft.
Kinder sind kleine Wunder
Olena Vojcyk arbeitet bei der Caritas-Spes, die seit der großen Invasion der Ukraine sogenannte „Child Friendly Spaces“ betreibt. Sie richten sich insbesondere an Kinder, die nahe der Frontlinie leben und mit Stress und Traumata kämpfen. „Wir leben heute intensiver als zuvor. Schieben nichts auf später, weil es vielleicht kein Später gibt. Jeder Moment mit der Familie, mit Kollegen und Freunden, ist mehr wert als früher“, sagt die Ukrainerin im Gespräch mit der „Tagespost“. Sie wohnt in Kiew. Jede Nacht in der umkämpften Stadt sei für sie „wie eine Lotterie“. Man habe gelernt, mit der Unsicherheit zu leben – und nicht stehen zu bleiben. Das sei das Wichtigste, um nicht zu verzweifeln.

„Es ist nicht einfach, den inneren Frieden zu bewahren, wenn die Nächte schrecklich und schlaflos sind und die Explosionen ganz nah.“ Der wahre Frieden, er beginnt ihrer Meinung nach im Herzen – den zu wahren, sei aktuell eine wichtige Aufgabe. „Frieden bedeutet für mich, jeden Tag bewusst zu wählen, wofür ich meine Aufmerksamkeit und meine Kräfte gebe. Ich sehe viel Leid, aber auch unendlich viel Mut, Fürsorge und Menschlichkeit. Das bewundere ich, besonders bei den Kindern in unseren Zentren. Sie sind für mich kleine Wunder. Kinder, die lachen, spielen und träumen. Oft sind sie für uns Erwachsene Vorbilder und geben uns Kraft, stark zu bleiben – für sie.“
Ihr Glaube helfe ihr, das Licht in den dunklen Momenten zu sehen, sagt die orthodoxe Christin. „Wie an Weihnachten, als das Licht in die Welt kam, als alles dunkel war. Ohne meinen Glauben wäre ich vielleicht jeden Tag beim Psychologen. Ich glaube, Gott ist da, wo Menschen einander gegenüber nicht gleichgültig bleiben.“ Eine Freundin von ihr habe sie beruhigt, als sie kürzlich müde und verzweifelt war – weil ihr Leben wie ein Kampf ist und sie immer wieder Prüfungen bewältigen muss. Die Freundin sagte: „Das ist so, weil du noch auf der Erde bist und noch nicht im Paradies. Du brauchst ein bisschen Geduld.“
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