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Auf Huxleys Spuren

Wie israelische Forscher um den Wissenschaftler Jacob Hanna Gott spielen und Menschen außerhalb des Mutterleibs züchten wollen.
Erste synthetische Embryonenzellen in Israel
Foto: Ilia Yefimovich (dpa) | Jacob (Yaqub) Hanna, Professor für Molekulargenetik, legt Proben in seinem Labor am Weizmann Institute of Science in Rehovot unter ein Mikroskop.

Aldous Huxley lässt wieder grüßen. Diesmal aus dem israelischen Rehovot, etwa 20 Kilometer südlich von Tel Aviv. 90 Jahre nach Erscheinen von Huxleys dystopischen Roman "Schöne neue Welt" haben dort Forscher um Jacob Hanna vom Weizmann-Institut erstmalig Embryonen im Labor erschaffen, die sich - ähnlich wie im Roman - in Gefäßen außerhalb der Gebärmutter entwickelten. Als Ausgangsmaterial dienten den Forschern um Hanna keine Ei- und Samenzellen, sondern reprogrammierte Hautzellen, die sie zuvor in das Entwicklungsstadium von Stammzellen zurückversetzt hatten. Das alles wohlgemerkt im Tierversuch mit Mäusen und nicht mit menschlichen Zellen.

Das Ergebnis ist durchaus furchteinflößend

Gänzlich neu ist das alles ist nicht. So ist etwa die Rückverwandlung von Körperzellen in Stammzellen für Molekulargenetiker inzwischen beinah ein alter Hut. 2012 erhielten mit dem Briten John Gurdon und dem Japaner Shinya Yamanaka zwei Pioniere den Nobelpreis für Medizin für ihre Vorarbeiten auf diesem Feld. Und auch die Erschaffung sogenannter synthetischer Embryonen, auch Blastoide oder Embryoide genannt, ist nicht mehr der allerheißeste Scheiß in der Branche der Biobastler. Aber - und darauf kommt es hier an - die (technisch betrachtete) gelungene Kombination dieser beiden Technologien ist ein Novum. Und auch das Ergebnis ist, sofern es sich dabei nicht um eine Fälschung handelt, durchaus furchteinflößend.

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Denn, wie die Wissenschaftler um Hanna in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Cell" schreiben, gelang es ihnen, außerhalb der Gebärmutter synthetische Mäuseembryonen zu züchten, die natürlich gezeugten zu 95 Prozent glichen und das in einem Stadium, das vor ihnen noch niemand erreichte. Ganze achteinhalb Tage lang   das ist weit mehr als ein Drittel der 20-tägigen Tragezeit von Mäusen   entwickelten sich die Embryonen in einem von den Forschern selbst entwickeltem Bioreaktor, der die Umweltbedingungen nachahmt, die Mäuseembryonen in ihrer natürlichen Umgebung vorfinden. Dabei bildeten die synthetischen Mäuse sowohl ein schlagendes Herz als auch den Beginn eines Gehirns und eines Darmtraktes aus.

Das Verfahren ist bislang extrem ineffizient

Der mechanische Mutterleib beherbergt mehrere sich drehende Flaschen, in denen die reprogrammierten Stammzellen mit im Labor hergestellten Nährstoffen, Hormonen und Zuckern versorgt werden. Auch Druck, Temperatur und die Gaskonzentration wurden dem natürlichen Umfeld nachempfunden. Anders als in Huxleys 34 Stockwerke hohen "Brut- und Normzentrale", wo fünf verschiedene Menschen-Kasten, im industriellen Maßstab gefertigt werden, findet Hannas Mäuse-Bioreaktor noch auf jedem Schreibtisch Platz.

Und dabei dürfte es zunächst auch bleiben. Denn das Verfahren ist bislang extrem ineffizient. So gelang es den Forschern in weniger als einem von hundert Versuchen, einen Mäuseembryo erfolgreich nachzuahmen. Das Dumme ist nur: Was auf vielen anderen Forschungsfeldern das Aus bedeuten würden, wird hier belohnt. Mit Startkapital der Venture-Firma NFX hat Hanna das Startup "Renewal Bio" gegründet, dessen Website sich noch im Aufbau befindet. Denn natürlich geht es dem Team um Hanna letztlich nicht um Mäuse, sondern um Menschen. In der Molekulargenetik gilt die Maus als das beste Modell für den Menschen. Manche Forscher behaupten gar, alles was bei der Maus funktioniere, gehe früher oder später auch beim Menschen.

Wie die "MIT Technology Review" unter Berufung auf Hanna schreibt, arbeite dieser bereits daran, die Technologie für humane Zellen zu replizieren. In Rede stehe die Erschaffung synthetischer menschlicher Embryonen, die ungeborenen Kindern bis zur 7. Schwangerschaftswoche entsprächen. In diesem Stadium verfügen menschliche Embryonen über ein schlagendes Herz und sämtliche Organlagen. "Wir betrachten den Embryo als den besten 3D-Biodrucker. Er ist die beste Einheit, um Organe und richtiges Gewebe herzustellen", zitiert das Magazin Hanna.

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